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Flugsicherheit

WSOC 2024 - Globale Trends in der Luftfahrt:

Sicherheit, Schulung und Herausforderungen

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WSOC 2024 - Globale Trends in der Luftfahrt:

Sicherheit, Schulung und Herausforderungen

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08.10.2024

Liebe Kolleg*innen, 

wir waren für Euch auf der IATA World Safety and Operations Conference 2024 in Marrakesch. Auf dieser Konferenz kommen jährlich Airlines, Regulatoren, Flugzeughersteller und Gewerkschaften zusammen, um sich über die neuesten Trends und Entwicklungen zu einer möglichst sicheren Flugdurchführung auszutauschen. 

Wir haben uns für Euch über die neuesten Entwicklungen informiert und dabei natürlich ein besonderes Augenmerk auf den Bereich Cabin Safety gelegt. 

1. Umgang mit Lithium-Ionen-Batterie-Feuern in der Kabine 

Fragt Euch einmal kurz selbst: Wie viele Portable Electronic Devices (PEDs) habt ihr normalerweise dabei, wenn ihr fliegt? Von Handy über dienstliches Tablet bis hin zu elektrischer Zahnbürste, Powerbank und kabellosen Kopfhörern kommt hier schnell einiges zusammen. 

Das führt zunehmend zu Problemen, was auch ein Blick in die Zahlen zeigt. Vergleicht man das Vorpandemiejahr 2019 mit dem letzten Jahr 2023, so hat die Anzahl an Vorfällen mit überhitzenden bzw. brennenden Geräten gemäß einer Zählung über 35 Airlines hinweg pro durchgeführten Flug um 65 % zugenommen. 

Powerbanks und E-Zigaretten stellten dabei besonders häufig ein Problem dar. Dies dürfte wohl damit zusammenhängen, dass diese Geräte im Gegensatz zu anderen elektronischen Geräten in der Praxis oftmals nicht denselben internationalen Sicherheitsstandards genügen. 

Wird ein brennendes Lithium-Ionen-Gerät mit nicht-alkoholischen Flüssigkeiten gekühlt, kann dabei gesundheitsgefährdende Säure entstehen. Es ist daher wichtig, Kontakt mit Flüssigkeiten zu vermeiden, die mit einer brennenden Batteriezelle in Berührung gekommen sind. 

Besonders die Airlines stehen hier auch in der Pflicht, entsprechende Procedures zu entwickeln, die eine fachgerechte Reinigung des Flugzeugs nach der Landung sicherstellen. Unsere Bitte an dieser Stelle: Gebt nach Abschluss der Löscharbeiten rechtzeitig und schriftlich Bescheid, dass Euer Flugzeug ggf. einer speziellen Reinigung bedarf. Niemand sollte ohne Vorwarnung auf ausgetretene Säure treffen oder versuchen, eine Reinigung ohne Fachkenntnis oder entsprechende Schutzausrüstung durchzuführen. Denkt hier an Eure Sicherheit und an die Sicherheit sämtlicher Kolleg*innen des Bodenpersonals und nachfolgender Passagiere. 

Mit Bezug auf betroffene (überhitzte oder ausgebrannte) Geräte gibt es je nach Airline unterschiedliche Vorgaben, wie damit umzugehen ist. Es gibt Airlines, die dieses auf Anfrage dem Passagier wieder aushändigen. Falls dies bei Eurer Airline der Fall sein sollte, denkt unbedingt an Crews von eventuellen Anschlussflügen: Es muss verhindert werden, dass ein überhitzendes oder ausgebranntes Gerät auf eventuellen Anschlussflügen mitgeführt wird – es handelt sich hierbei um Gefahrgut (Dangerous Goods). Nutzt hier alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle Eurer Airline, um die Folgecrews und die relevanten Stellen vorzuwarnen. 

Zu Gefahren durch Lithium-Ionen-Batterie-Brände wird aktuell im Rahmen eines Forschungsprojekt des Frauenhofer-Instituts in Kooperation mit EASA und Airbus weiter geforscht. Wir finden dies äußerst wichtig, um einen bestmöglichen Umgang mit überhitzenden oder brennenden PEDs an Bord zu gewährleisten und um sinnvolle Regularien auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse implementieren zu können. 

2. Getränke an Bord: Eine unscheinbare Gefahr 

Der Umgang mit Getränken gehört zur täglichen Arbeit für jede*n Flugbegleiter*in. Insgesamt ergaben sich in Bezug darauf erstaunlich viele Vorfälle, sodass wir hier kurz darauf eingehen möchten. 

Von einer amerikanischen Airline wurde uns berichtet, dass dort regelmäßig Getränkedosen explodieren. Der Hintergrund: Getränke werden dort in Dosen und ungekühlt beladen, auch eine Kühlung in den Lagern erfolgt nicht. Stattdessen werden die Getränke durch Mundeis beim Servieren heruntergekühlt. Die Krux an der Sache: Durch die bisweilen hohen Temperaturen an Bord explodieren viele der Getränkedosen und werden somit zu einem massiven Risiko für die Gesundheit von Flugbegleiter*innen. Die Anzahl der entsprechenden Vorfälle ist dabei aktuell höher als normalerweise. Wir finden: Solche Vorfälle müssen unterbunden werden - völlig egal, ob hierdurch zusätzliche Kosten für die Kühlung von Getränken entstehen. Wenn Ihr an Bord einmal auf besonders heiße Getränkedosen treffen solltet, lasst bitte entsprechende Vorsicht walten. 

Beim Abfüllen von heißen Flüssigkeiten in Thermoskannen oder ähnliche Behältnisse solltet Ihr auch besondere Vorsicht walten lassen: Wenn diese in der Luft abgefüllt und erst am Boden wieder geöffnet werden, kann es hier gemäß Erfahrungsberichten einiger Kolleg*innen zu explosionsartigem Austreten von heißer Flüssigkeit kommen. Bitte gebt auf Eure Passagiere und auf Euch selbst Acht und weist auf diese Gefahr hin. 

Passend zu diesem Thema: Auch explodierende Kaffeebeutel in Kaffeemaschinen kommen weiterhin regelmäßig vor. Hier bitten wir Euch dringend, bei der Bedienung von Kaffeemaschinen auf Euren Eigenschutz zu achten und die Hinweise Eurer Airlines zur Prävention von explodierenden Kaffeebeuteln zu beachten. Vor allem bitten wir Euch auch, sämtliche Vorfälle konsequent zu reporten. Unser Feedback als tägliche Bediener*innen der Kaffeemaschinen ist essenziell, um die Probleme abzustellen und bei der Neuentwicklung entsprechende Fehlfunktionen von vornherein zu verhindern. 

Wie in der Luftfahrt generell, so gilt auch bei Kaffeemaschinen: Die Verbesserung von Technik und Prozessen erfolgt durch Beobachtung dessen, was in der Vergangenheit schiefgegangen ist. Niemand möchte einen explodierenden Kaffeebeutel ins Gesicht bekommen – daher unsere Bitte: Stellt Euren Airlines diese Daten für jeden Vorfall bereit, um das Problem mit den explodierenden Kaffeebeuteln in Zukunft ad acta legen zu können.  

3. Daten, viele Daten... 

Was für Vorfälle mit Kaffeemaschinen hilfreich ist, ist auch für vieles andere hilfreich: Daten – und zwar möglichst viele davon. 

Der Trend zum Umgang mit besonders großen Mengen an Daten war im Rahmen der gesamten Konferenz deutlich zu sehen. Aus Sicherheitsperspektive kann es einen enormen Mehrwert bedeuten, viele Daten zur Verfügung zu haben und diese mittels künstlicher Intelligenz auch sinnvoll auswerten zu können. So können etwa Trends – zum Beispiel eine Zunahme von Vorfällen in bestimmten Bereichen - frühzeitig erkannt und entsprechend reagiert werden. 

So erlaubt es etwa die Turbulence Aware Plattform der IATA, Daten über Turbulenzen zu sammeln und auszuwerten, um so akkuratere Vorhersagen zu treffen. Dies dient klar der Sicherheit von Passagieren und Crew. 

Andererseits wecken steigende Datenmenge auch Begehrlichkeiten: So versuchen Airlines etwa, mithilfe großer Datenmengen eine stetige “Optimierung” von Einsatzplänen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang kann die Verfügbarkeit großer Daten eindeutig zu einem Sicherheitsverlust führen, wenn die Einsatzpläne weiter verdichtet werden und die Crews dadurch immer häufiger nicht ausgeruht und ohne die nötigen Ressourcen ihrer Tätigkeit nachgehen können. 

Die Antwort auf Nutzung von immer mehr “Optimierungen” durch IT-Programme ist aus unserer Perspektive eindeutig: Es bedarf hier einer konsequenten Einhaltung bestehender Regularien (etwa in Bezug auf Flugdienst- oder Ruhezeiten) im Rahmen der geltenden EASA-FTL- und MTV-Regularien. Um Euch das Verständnis der oft komplizierten EASA-FTL-Regeln zu erleichtern, steht Euch unsere EASA-FTL-Erklärhilfe (bitte einloggen) bereit, welche fortwährend überarbeitet und bald in einer neuen Version kommen wird. 

Wo nötig, muss dem entsprechenden “Verdichtungsinteresse” der Airlines eine Verbesserung der manteltarifvertraglichen Regularien entgegengesetzt werden. Auch auf europäischer Ebene ist eine Nachschärfung der EASA-FTL-Regularien gerade in Zeiten von KI-optimierter Planung dringend notwendig, um Euch als Crewmember vor computeroptimierten, aber lebensfremden Dienstplangestaltungen zu schützen. Über unseren europäischen Dachverband EurECCA setzen wir uns dafür ein, die EASA-FTL-Regularien entsprechend nachzuschärfen. 

4. Zu Unrecht oft wenig beachtet: Die Passenger Safety Briefing Card 

Oft sind es simple Dinge, die einen großen Unterschied in Bezug auf die Sicherheit an Bord machen können. Dazu gehört etwa eine gute Gestaltung der Passenger Safety Briefing Cards. 

Häufig kommt es hier jedoch zu einem Zielkonflikt zwischen verschiedenen Abteilungen in Airlines. Während manche besonders detailreiche, filigrane und schöne Safety Briefing Cards wünschen, sollte eine gelungene Briefing Card unter Sicherheitsaspekten leicht verständlich und so simpel wie möglich gestaltet sein. 

Wir sind der Meinung: Eine klar verständliche Briefing Card sorgt auch ohne unnötige Details und mit dickeren Umrandungen zur besseren Wahrnehmbarkeit für Menschen eingeschränktem Sehvermögen für erlebbare Sicherheit an Bord. An dieser Stelle darf (und sollte!) jede*r Passagier*in merken, dass die Sicherheit im Vordergrund steht. Dies steht nicht im Widerspruch zu einer gelungenen “Brand Experience”: Im Optimalfall sollten Passagiere beim Blick in die Briefing Card sich selbst in dem Flieger erkennen, in dem sie gerade sitzen – inklusive der verwendeten Farbgebung der entsprechenden Airline. 

Denn eines der größten Probleme ist es, dass viele Passagiere denken, den Inhalt der Safety Briefing Card bereits zu kennen (“Ich bin ja bereits einmal geflogen!”), obwohl sich dieser je nach Flugzeugtyp und Airline stark unterscheiden kann. Wenn sie beim Blick in die Briefing Card ihre Umgebung wiedererkennen, kann dies zu einer näheren Beschäftigung mit dem Inhalt der Briefing Card anregen. 

Ein paar weitere Best-Practice-Tipps in Bezug auf gelungene Briefing Cards sind: 

  • Die Verwendung von möglichst wenig Text. 
  • Die Platzierung ähnlicher Informationen nah beieinander. 
  • Die maßstabsgetreue Darstellung menschlicher Körper. 

Sollte eine Evakuierung in der Praxis erfolgen, empfiehlt sich eine Anpassung der Safety Briefing Card in Bezug auf die beobachteten Probleme. 

5. Virtuelles und digitales Training 

Einige Entwicklungen gibt es auch im Bereich virtuelles Training zu beobachten. 

So lässt sich feststellen, dass neue Generationen von Virtual-Reality-Brillen aufgrund technischer Weiterentwicklungen tendenziell besser vertragen werden als ältere Modelle und seltener zu Schwindelgefühlen bei den Crews führen. 

Auch Door-Handling-Trainer gibt es mittlerweile in virtuell. Bei einer großen amerikanischen Airline fand die überwiegende Mehrheit der befragten Crew-Member das Training an einem virtuellen Door Trainer hilfreich und würde diese Methode weiterempfehlen. 

Generell lässt sich feststellen, dass virtuelle Trainings eine Methode darstellen, mit der Airlines Geld und Zeit einsparen können. Gleichzeitig darf dies aus unserer Sicht nicht der einzige Grund für ihren Einsatz sein. Auch die Frage nach dem Mehrwert für die Crews und die Sicherheit an Bord muss gestellt werden. 

Hier lassen sich unterschiedliche Bedürfnisse bei verschiedenen Menschen beobachten. Dabei spielen sicherlich auch das Lebensalter und die Vertrautheit mit digitalen Umgebungen im Allgemeinen eine Rolle.  Wir plädieren daher dafür, den Crews - wo sinnvoll - immer die Wahl zu lassen, ob sie einen Trainingsinhalt in Realität oder virtuell absolvieren möchten. 

Gut fanden wir den Ansatz einer niederländischen Airline, auch allen Bodenangestellten die Möglichkeit zu geben, virtuelle Trainings für On-Board-Situationen zu erleben. 

In Zukunft wird möglicherweise auch die Simulation von komplexeren (Emergency-)Situationen an Bord eine Rolle spielen. Wichtig ist bei allen neuen Entwicklungen in diesem Bereich, frühzeitig Kabinenkolleg*innen in die Entwicklung neuer Trainingsprogramme miteinzubeziehen. 

6. Globale Trends 

Mit Blick auf die Anzahl der Unruly-Passenger-Vorfälle lässt sich sagen, dass gegenüber den Corona-Jahren mit besonders vielen Vorfällen eine “Normalisierung” eingesetzt zu haben scheint. Jedoch scheinen die stattfindenden Vorfälle durch Unruly-Passenger tendenziell schwerwiegender zu werden. 

Die Anzahl an unbeabsichtigten Rutschenabschüsse steigt und befindet sich bei vielen Airlines auf einem hohen Niveau. Hier appellieren wir an jede*n, Euch an die Procedures Eurer Airline zu halten und die Handhabung von Flugzeugtüren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da ein unbeabsichtiger Rutschenabschuss gerade für das Bodenpersonal in der Nähe des Flugzeugs lebensgefährlich sein kann. 

Insgesamt steigt die Anzahl an mobilitätseingeschränkten Passagieren, die verreisen. Diesbezüglich ist es wichtig, diese in Überlegungen zur Evakuierung und deren rascher Durchführung miteinzubeziehen, sodass die Sicherheit aller Reisenden gewährleistet werden kann. Wir sind der Meinung: Jede Airline sollte über geeignete und realistische Verfahren verfügen, um im Notfall die Evakuierung eines Flugzeugs inklusive aller darin befindlichen Personen mit und ohne Mobilitätseinschränkungen zügig durchführen zu können. 

Wir möchten - und können - zum Glück jedoch mit einem positiven Ausblick schließen: Trotz stetig neuer Herausforderungen war Fliegen im Jahr 2023 so sicher wie lange nicht mehr. Auf dem Level an Sicherheit im Jahr 2023 müsste eine durchschnittliche Person an 103.239 Jahren (!) im Schnitt einmal pro Tag fliegen, um einmal einen tödlichen Unfall zu erleiden. 

Wir als AG Flugsicherheit setzen uns dafür ein, dass Fliegen sicher bleibt und noch sicherer wird! An dieser Stelle zum Abschluss noch ein wenig Eigenwerbung: Wenn Ihr Lust habt, bei der AG Flugsicherheit mitzuarbeiten, meldet Euch gerne bei uns. Wir freuen uns über jede*n, der/die sich für Flugsicherheit interessiert und uns bei unserer Arbeit unterstützen möchte. 

In diesem Sinne: Gute Flüge und Always Happy Landings! 

Eure AG Flugsicherheit 

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