
Fatigue-Risiko:
Warum eure Reports so wichtig sind
Fatigue-Risiko:
Warum eure Reports so wichtig sind

Wir alle haben viel zu tun und kommen nicht immer dazu, alle Veröffentlichungen und Newsletter zu lesen. Daher gibt es diesen Text heute auch für Deine Ohren. So kannst Du Dich anderen Dingen widmen und gleichzeitig updaten.
Wir haben für euch an der EASA Fatigue Risk Management Conference teilgenommen. Diese wurde gemeinsamen von den europäischen (EASA) und spanischen Flugsicherheitsbehörden (AESA) in Madrid ausgetragen – wir (Gisela-Annette Beeck Acosta, Vorständin für Berufspolitik sowie Magnus R. Maidhof, Referent für Flugsicherheit) waren für euch digital dabei.
Neben zahlreichen weiteren nationalen Flugsicherheitsbehörden waren auch viele Vertreter*innen von Airlines und Gewerkschaften anwesend, um sich über die neuesten Entwicklungen im Bereich des Fatigue-Risk-Managements – also dem systematischen Umgang mit durch Übermüdung hervorgerufenen Risiken – auszutauschen. Es gibt einiges zu berichten:
- FTL is not enough!
Sicherlich kennen viele von euch unsere Broschüre, welche die EASA FTL – also die europäischen Mindeststandards zu Flugdienst- und Ruhezeiten – so einfach wie möglich erklärt. Ihr findet diese in PDF-Form unter diesem Link.
Die EASA FTL sind dabei als absoluter Minimalstandard zu begreifen, welcher die Flugsicherheit gewährleisten soll. Wir beobachten mit Sorge, dass die EASA FTL bei vielen Airlines mittlerweile das einzig geltende Regelwerk sind, welches noch längere und ermüdendere Dienstzeiten verhindert.
Wir begrüßen es dabei, dass bei den Teilnehmer*innen der Konferenz Konsens darüber herrschte, dass Airlines neben den EASA FTL zudem ein effektives, performance-basiertes Fatigue Risk Management System (FRMS) einführen bzw. - wo bereits vorhanden - kontinuierlich verbessern sollten.
Denn: Natürlich kann auch wenn die EASA-FTL-Regeln eingehalten werden, Fatigue auftreten. Dies kann und sollte nicht einfach hingenommen werden. Im Gegenteil: Mit einem auf die Besonderheiten einer Airline zugeschnittenen FRMS kann erkannt werden, unter welchen Umständen regelmäßig Fatigue bei den Besatzungsmitgliedern auftritt und entsprechend dagegen gearbeitet werden.
Und um es ganz klar festzuhalten: Die Unart, EASA FTL als einzig geltenden Mindeststandard in einem Flugbetrieb zu begreifen, lehnen wir als UFO entschieden ab. Nicht alles, was gemäß EASA FTL legal ist, sollte auch geplant werden. Unsere Tarifkommissionen werden sich auch weiterhin im Rahmen von Manteltarifverträgen für bessere Regelungen als die EASA FTL einsetzen, die dann in den jeweiligen Flugbetrieben ebenso verbindlich gelten.
Übrigens: Soziale Aspekte werden in der EASA FTL gar nicht berücksichtigt. Diese zielt nur darauf ab, dass ein Crewmember Ruhezeiten vor einem Flug einhält. Dass genug Zeit für Familie, Freunde und Freizeit besteht, ist in der EU aktuell für Crews nicht gesetzlich garantiert. Über unseren europäischen Dachverband EurECCA setzen wir uns in Brüssel weiterhin für die Beseitigung dieses Missstandes ein. Wir fordern, dass eine entsprechende europäische Sozialgesetzgebung, welche auch für Crews Gültigkeit hat, endlich eingeführt wird!
- Unsere höchste Priorität: Flugsicherheit
Damit ein FRMS gut funktionieren kann, bedarf es Reports. Egal ob Behörden, Airlines oder Gewerkschaftsvertreter*innen – in einem waren sich alle Teilnehmer*innen der Konferenz einig: Fatigue-Reports sind essenziell, um Gefahren durch Fatigue zu erkennen und in Zukunft verhindern zu können. Reportet deshalb nicht nur, wenn schon oder nahezu etwas passiert ist. Es gilt vielmehr: Ein konsequentes Reporting von Fatigue dient dem Wohl eurer Kolleg*innen, Passagier*innen und vor allem euch selbst. Es bedarf eurer Daten in Form von entsprechenden Reports, um die Sicherheit aller an Bord auch in Zukunft bestmöglich gewährleisten zu können.
Denkt auch daran, keinen Flug mit akuter Fatigue anzutreten. Natürlich fällt es in der Situation nie leicht, die Entscheidung gegen den Antritt eines Fluges zu treffen. Aber: Eure Selbstbewertung, ob ihr fit seid, einen Flug anzutreten, ist die “last line of defense” in der Sicherheitskette. Wer fatigued ist, sollte und kann nicht an Bord eines Luftfahrzeugs Dienst tun. Seid euch hier eurer Verantwortung bewusst: Wir als Flugbegleiter*innen sind für die Sicherheit von allen an Bord da!
Um euch die Entscheidung zu erleichtern, ob ihr “fit for duty” seid, könnt ihr mittels unserer IMSAFE-Karte unter F wie Fatigue checken, ob ihr den Flug antreten oder lieber darauf verzichten solltet. Dort findet ihr auch den Pfad zu den jeweiligen Fatigue Report Systemen vieler Airlines. Für DLH findet ihr hier außerdem noch eine Hilfe zum Ausfüllen von Fatigue-Calls und Fatigue-Reports – denn wer Fatigue ist, dem sollte das Ausfüllen so einfach wie möglich gemacht werden.
Generell gilt: Jemand, die/der sich Fatigue meldet oder einen Fatigue-Report abschickt, darf niemals als “Ärgernis” oder “Problem” angesehen werden. Sie/er ist Teil der Lösung und wirkt durch ihr/sein Bewusstsein für das mit Fatigue verbundene operationelle Risiko daran mit, den Luftverkehr sicherer zu machen und die Dunkelziffer an unerkannten Fatigue-Situationen zu reduzieren.
- Die Zukunft: Verbesserungen durch Daten?
Jeder Report von euch kann dazu dienen, Probleme zu erkennen. Denn künstliche Intelligenz (KI) kann nicht nur Pläne bis zum Anschlag “optimieren”, sondern im Rahmen eines FRMS etwa auch dazu eingesetzt werden, möglichst schonende Pläne zu erstellen. Gerade spezifische Problematiken innerhalb eines Betriebs, die sich aus Streckennetz oder ähnlichem ergeben, können durch eine entsprechende Datengrundlage aus genügend Reports dazu dienen, gegen besonders stark Fatigue hervorrufende Pläne oder Praktiken vorzugehen.
So können etwa Umläufe, bei denen das Risiko von Fatigue besteht, angepasst und weniger ermüdend gestaltet werden. Auch andere Faktoren wie etwa Dienstplanänderungen, die kurzfristige Veröffentlichung von Dienstplänen oder auch im Privatleben liegende Faktoren können zu Fatigue führen. Wichtig ist es, diejenigen Faktoren, welche durch die Airlines beeinflusst werden können, zu identifizieren (Reports!) und im Rahmen eines FRMS möglichst zu vermindern. Im Optimalfall geschieht dies schon bei der Umlauferstellung sowie im Planungsprozess.
Auch Daten aus Umfragen oder wissenschaftlichen Studien können dazu dienen, Fatigue in den Griff zu bekommen. Wir unterstützen das Vorgehen der EASA, im Rahmen von Studien weiterhin untersuchen zu lassen. Erste Erkenntnisse aus Effectiveness of Flight Time Limitations (FTL 2.0) wurden auf der Konferenz bereits angerissen. Eine detaillierte Publikation der Ergebnisse wird im Verlauf dieses Jahres erwartet – wir bleiben für euch dran.
- Best-Practices
Ein weiterer Punkt, zu dem es auf der Konferenz eine einhellige Meinung gab: Die Vermeidung von Fatigue ist Teamwork – sowohl Behörden, Airlines wie auch Crews tragen einen wichtigen Teil dazu bei, Gefährdungen durch Fatigue zu vermeiden.
In Bezug auf Airlines gibt es durchaus Best-Practice-Beispiele: So gibt es bei einigen Airlines die Möglichkeit, potenziell Fatigue auslösende Pläne bereits im Voraus von einer entsprechenden Stelle prüfen zu lassen. Auch die Schulung von Airline-Angestellten, welche mit Crew-Plänen umgehen, in Bezug auf Fatigue und damit verbundene Risiken sollte Standard sein. Es sollte nicht vorkommen, mittels eines Klicks eine Einsatzplanänderung oder ähnliches auszulösen, ohne die potenziell durch Fatigue entstehenden Risiken sehr präsent vor Augen zu haben. Des Weiteren bedarf es guter Praktiken etwa in Bezug auf die rechtzeitige Veröffentlichung von Dienstplänen oder die Minimierung von Planänderungen. Wenn Änderungen erfolgen, sollten diese “minimalinvasiv” erfolgen und kein zusätzliches Fatigue-Risiko hervorrufen.
Auch effektive und verlässliche Einflussmöglichkeiten auf den eigenen Plan sind essenziell, um Fatigue zu vermeiden. Denn: Eine rechtzeitige Planung von Berufs- und Privatleben ermöglicht es, Ruhezeiten zu berücksichtigen und sich auf die verplanten Dienste bestmöglich einstellen zu können. Hier ist jeder seine/ihre eigene Expert*in und weiß oft selbst am besten, wie er sich am besten erholen und Ruhephasen zwischen den Flügen einbauen kann.
Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Airlines auch in Bezug auf die “Reporting-Culture” in Bezug auf Fatigue. Die Arbeitgeber sind hier selbstredend gefordert, die Reporting-Formulare leicht verständlich und ausfüllbar zu machen , zum Reporting von Fatigue aktiv zu ermutigen sowie dieses in regelmäßigen Kampagnen zu bewerben.
Zu guter Letzt und nicht ausschließlich für Flieger*innen interessant: Grundsätzliche Tipps des britischen NHS zu Fatigue und dem konkreten Umgang damit findet ihr hier.
Schließen möchten wir gerne mit dem Zitat des Kapitäns von US Airways Flug 1549, der am 15.01.2009 auf dem Hudson River notwasserte. Chesley “Sully” Sullenberger äußerte sich wie folgt:
“The risk of fatigue never goes away, which means that it has to be expertly mitigated by scheduling properly and then operating flights to conclude before the crew is fatigued.”
Liebe Grüße,
Eure AG Flugsicherheit
P.S.: Wenn du dich für solche und ähnliche Themen interessierst: Wäre eine Mitarbeit in unserer AG Flugsicherheit vielleicht etwas für dich? Melde Dich hierfür gerne direkt bei Magnus.
Wir haben außerdem zwei weitere AG’s - Gesundheit und Berufsbild. Wenn du erst einmal reinschnuppern möchtest, welches Thema dir am besten liegt, komm zu unserem AG-Tag am 27.3. An diesem Tag können Interessierte in der UFO-Geschäftsstelle vor Ort in die AG-Arbeit schnuppern und aus allen drei Themenbereichen Vertreter*innen zum inhaltlichen Austausch treffen. Wer mehr dazu erfahren oder sich anmelden möchte, schreibt uns auch gerne an: info@ufo-online.aero.