Cross-OPS: Gefahr des
Social Dumping in Europa?!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute möchten wir Euch aus Sicht der European Cabin Crew Association (EurECCA) über das hochaktuelle Thema „Interoperabilität“, bzw. „Cross-OPS“ informieren.
Interoperabilität ist ein Begriff, der hauptsächlich für die Softwareentwicklung verwendet wird und zwei oder mehrere Systeme beschreibt, in dem dieselben Standards zur Kommunikation miteinander verwendet werden.
Inwiefern betrifft das Crews?
Interoperabilität im Aviationbereich könnte bedeuten, dass z.B. Cockpit- und Kabinenbesatzungen innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer internationalen Holding nach Bedarf länderübergreifend bei unterschiedlichen Airlines eingesetzt werden können. Aus Gründen der Kosteneinsparung könnte das Crew-Mitglied in einem kostengünstigen Land angemeldet sein und auf täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Basis für mehrere AOCs (Luftverkehrsbetreiber) arbeiten: eine sogenannte «cross-OPS».
Neben Gesetzesnovellen müssten dazu allerdings bei den Betreibern Handbücher und Betriebsverfahren vereinheitlicht werden, was die EASA geprüft hat.
Ein neues Businessmodell
Dazu hatte die EASA letztes Jahr ein Projekt gestartet, in dem sie zunächst u.a. in Bezug auf das Arbeitsumfeld von Piloten untersuchte, ob diesem neuen Businessmodell Sicherheitsprobleme entgegenstehen könnten und falls ja, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um diese „abzuschwächen“ (Zitat: "to identify hazards and assess risks stemming from the development of business models and to propose possible mitigating measures“).
Ebenfalls untersucht wurde das Arbeitsumfeld von Mitarbeitern in den Bereichen Flugsicherung, Flugzeug-Wartung und Piloten-Schulung. Dazu wurde eine Aktionsgruppe gegründet, die sich aus Vertretern der EASA, sowie der folgenden Betreiber und Organisationen zusammensetzte: Ryanair, Norwegian Air Shuttle, Aer Lingus, Luxair und ein Vertreter der European Cockpit Association (ECA).
Untersucht wurden neben verschiedenen Beschäftigungsmodellen einzelner Betreiber nicht nur die Auslagerung sicherheitskritischer Dienste, sondern auch die Crew Interoperability: erhöhte Flexibilität für die Flugbetriebe durch den Einsatz von Piloten bei mehreren AOC-Inhabern derselben Muttergesellschaft. Das würde bedeuten, dass z.B. ein Pilot für einen Einsatz in einem anderen AOC keinen Operator Conversion Course (OCC) mehr durchführen müsste. Was für Piloten u.U. dann zuträfe, wäre folgerichtig auch leicht für Cabin Crews umsetzbar.
Dieses Businessmodell würde Flugzeugbesatzungen zu einer austauschbaren Komponente machen, die täglich / wöchentlich / monatsweise in verschiedenen, transnationalen AOCs eingesetzt würden, ohne dort angestellt zu sein.
Wären solche Arbeitsmodelle gesetzeskonform?
Noch ist diese Form der Beschäftigung aus arbeitsrechtlicher Sicht in vielen EU-Mitgliedstaaten atypisch und illegal. Zu regeln wäre, welches Land und welche Behörde die Aufsichts-, Regulierungs- und Rechenschaftspflicht hat. Jedoch sind Gesetzesharmonisierungen auch diesbezüglich nicht ausgeschlossen. Diese könnten theoretisch zu Briefkastenfirmen und infolgedessen zu Sozialdumping führen, was die Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtern würde.
Einige Gerichte haben bereits die Auffassung vertreten, dass die konzerninterne Mobilität als legal angesehen werden kann, wenn sie aus technischen und organisatorischen Gründen erfolgt, sofern „die Rechte der Arbeitnehmer garantiert sind".
Das wirft viele Fragen auf:
- Wer garantiert dann transnational welche Arbeitnehmerrechte?
- Inwieweit kann eine betriebliche Personalvertretung wirkungsvoll Crewmember vertreten, die offiziell keine Angestellten dieser Firma sind und ständig ihre Homebase wechseln?
- Welche Gewerkschaft wäre zuständig und würde mit welcher Tochterfirma Tarifverhandlungen führen?
- Würden Streikende eines Betriebs dann durch Crewmember anderer AOCs/Tochtergesellschaften ersetzt?
- Welcher Betrieb wäre zuständig bei Arbeitsunfällen oder für Disziplinarverfahren, wenn Vorfälle während des Einsatzes in mehreren Tochterunternehmen stattgefunden haben?
- Welcher Betreiber wäre zuständig für Ausbildung und Training, wie z.B. Recurrents?
- Wie würden firmenbasierte Daten geschützt?
- Welchen sonstigen Benefit (außer erhöhter Flexibilität) hätten Flugbetriebe, wenn sie Crews zu den bisherigen Bedingungen europaweit einsetzen könnten, da sich die Unterbringungskosten eher erhöhen würden?
Das Resultat dieses EASA-Projekts war ein Leitfaden: Practical Guide - Management of hazards related to new business models of commercial air transport operators
Es ist zwingend erforderlich, dass die Europäische Kommission vor der Prüfung und Umsetzung von Verordnungen darlegt, ob die Vorteile solcher neuen Businessmodelle größer wären als die negativen Auswirkungen, die diese haben könnten.
Mit dem Ziel der größtmöglichen Flexibilität müssen nicht nur potenzielle Sicherheitsrisiken analysiert werden, wie z.B. welche nationale Luftfahrtbehörde in solchen Konstrukten zu welchem Zeitpunkt zuständig wäre und ob sich eine einheitliche Sicherheitskultur und konsistente Reportingssysteme bei verschiedenen Betreibern durchsetzen könnten.
Soziale Aspekte müssen ebenfalls untersucht werden, da sich die Arbeits- und Lebensbedingungen verschlimmern können, wenn Unternehmen zukünftig AOCs in der Region mit dem geringsten Arbeitsschutz, sowie mit den niedrigsten Lohnniveaus und Sozialversicherungsanforderungen gründen. Häufiges Pendeln mit monatsweisen Abwesenheiten vom ursprünglichen Standort würden die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben/Familie erheblich beeinträchtigen.
Außerdem entstünde ein volkswirtschaftlicher Schaden, wenn nicht nur die Erträge in den Sozialkassen mancher Nationen geschmälert würden, sondern auch die Firmeneinnahmen und Mitarbeitereinkommen ausschließlich in Ländern mit dem niedrigsten Steuersatz versteuert würden.
Wie beurteilt die European Cockpit Association diesen Vorstoß?
Die ECA hat bereits in ihrem Positionspapier die Gefahren klar aufgezeigt.
Daher ist auch die Aussage der European Cabin Crew Association (EurECCA) eindeutig: "Neue kostensparende Geschäftsmodelle von gewerblichen Luftverkehrsbetreibern dürfen die sicherheits-, sozial-, arbeits-, gesundheits- und rechtlichen Aspekte der Luftfahrtmitarbeiter niemals verschlechtern oder zu einer neuen Form prekärer und abhängiger Beschäftigung führen."
Solidarische Grüße
Eure EurECCA