
Konfuzius sagt:
Wer gut managt braucht keinen Turnaround
Konfuzius sagt:
Wer gut managt braucht keinen Turnaround

In aller Kürze:
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Turnaround für die Kabine ist gescheitert
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LH wollte keine intelligenten Verbesserungen, sondern hart den MTV rasieren
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Wir bezweifeln stark, dass „die Lufthansa kein Geld verdient“
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Dass sie hinter ihren Möglichkeiten bleibt, liegt nach unserer Analyse vor allem an Investitionsstau
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Wir kaufen versäumte Investitionen nicht zurück
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Wir machen jetzt wieder klassische Gewerkschaftsarbeit
Wir alle haben viel zu tun und kommen nicht immer dazu, alle Veröffentlichungen und Newsletter zu lesen. Daher gibt es diesen Text heute auch für deine Ohren. So kannst du dich anderen Dingen widmen und gleichzeitig updaten.
Liebe Kolleg*innen,
wir haben uns nach dem Abschluss des TV-Teilzeit lange Zeit genommen, um uns intensiv dem Thema „Turnaround“ zuzuwenden.
Überall im Konzern sprudele das Geld, nur bei der Mainline nicht, so ließ der Konzern im letzten Jahr bei jeder Gelegenheit nach innen wie außen verlautbaren. Gründe hierfür waren zügig ausgemacht, Sündenböcke schnell gefunden. Schuld seien unter anderem - wie sollte es anders sein - die Mitarbeiter. Zu teuer und zu unproduktiv, so der wenig einfallsreiche Vorwurf. Kennen wir.
Zunächst dachten wir, es mache Sinn, sich hierzu sozialpartnerschaftlich mit Lufthansa auseinanderzusetzen. Es ist ja nicht abwegig, dass man in einem vernünftigen Gespräch unter Erwachsenen zu guten Lösungen für die drängendsten Probleme kommen könnte, ohne dabei jemandem ernsthaft etwas wegnehmen zu müssen. Alte Regelungen auf den Prüfstand stellen, einmal Tarifverträge der letzten dreißig Jahre mit Betriebsvereinbarungen der letzten dreißig Jahre abgleichen und schauen, ob das im Zusammenspiel alles noch so sinnhaft ist wie man dachte, als man es aufgeschrieben hat. Ergebnisoffen einmal überall gucken, wo sich schmerzfrei Effizienzpotentiale heben lassen. Das Zusammenspiel der AOCs im Konzern unter die Lupe nehmen, damit am Ende die Dinge Hand in Hand laufen und nicht knallhart gegeneinander. All das wäre für den Konzern ein Leichtes und wir sind genau dafür mit Optimismus und der Bereitschaft angetreten, viel Zeit und Hirnschmalz in das Finden guter Lösungen zu investieren.
Was wir dann aber über die letzten Monate erlebt haben, waren Blockade und nebulöse Maximalforderungen. Was wir bekommen haben, war das Wegducken vor allen wichtigen Antworten, das Verschleppen von Terminen und die Forderung, die Kabine bitte wieder so „produktiv“ zu machen, wie 2019. Was nach einer ganz harmlosen Forderung klingt, ist aber folgendes: 2019 seid ihr im Schnitt 670 Blockstunden geflogen, 2024 waren es nur noch 550. Auch das klingt wesentlich weniger dramatisch als es wäre. Wer das nämlich zueinander in Verhältnis setzt, der kommt auf eine Forderung des Arbeitgebers in Höhe von 21,8 %! Das wären dann Einsatzbedingungen auf dem Niveau von Ryanair. Aus guten Gründen hat sich bis heute kein Arbeitgebervertreter getraut, uns konkret zu sagen, was aus seiner Sicht im MTV alles gestrichen werden sollte, denn die Antwort müsste lauten: Nahezu alles.
Flankiert wird dieser Arbeitgeberantritt von ein paar Dingen, die neu sind.
Neu sind unverhohlene Drohungen, Flugzeuge künftig vor allem dorthin zu schieben, wo „mit hoher Produktivität und niedrigen Stückkosten“ zu rechnen ist. Das denken nicht wir, das steht auf Seite 23 des Geschäftsberichts 2024.
Neu ist, dass man offen davon spricht, perspektivisch mehr oder minder die gesamte Kurzstrecken-OPS woanders stattfinden zu lassen.
Für diejenigen, die nun denken: „Ach, das haben die schon so oft versucht“: Wirklich neu ist, dass man über Jahre die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, um diese Drohungen auch Wirklichkeit werden lassen zu können. Ein günstiges AOC für Kurzstrecke, ein günstiges AOC für Langstrecke; beides lässt man aus den Hubs fliegen und beides will man mit aller Gewalt nicht von den Fachgewerkschaften tarifieren lassen, sondern von der, mit der man so wunderbar reibungslos den Kahlschlag am Boden im Aufsichtsrat durchwinken konnte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Wer jetzt noch meint: „Kein Ding, ich mag Langstrecke eh viel lieber“: Das Verhältnis von Kurz- zu Langstreckenflugzeugen in der Flotte ist fast 2:1! Do the math.
Um ein paar Dinge einmal klar auszusprechen, manches offensichtlich, anderes nicht:
- Dass „die Mutter kein Geld verdient“ ist alles andere als klar. Wer in die Bilanzen schaut, der sieht, dass man bis 2021 alle Netzwerk-Carrier gemeinsam verbucht hat, seit 2022 aber differenziert man nach Airlines. Das tut man allerdings überhaupt nicht konsequent, sondern fasst stattdessen Lufthansa, CityLine, Discover, City Airlines und Air Dolomiti (sowie Miles and More!) in einem großen Block zusammen. Dieses Konglomerat verdient aktuell kein Geld, richtig. Allerdings laufen alle Erträge, sämtliche laufenden Kosten und alle Investitionen hier in einem großen Topf zusammen. Wer hier Geld verdient, wer nicht und warum das so ist, kann schlicht niemand überprüfen.
- Warum die Lufthansakabine nicht produktiv eingesetzt wird, das kann Lufthansa sicher am besten sagen. Am MTV liegt es jedenfalls nicht, denn den gab es in allen wesentlichen Bestandteilen schon 2019, dem heiligen Gral der Produktivität.
- Das Thema Turnaround ist für die Kabine gescheitert. Gescheitert an Maßlosigkeit und “Friss-Oder-Stirb-Mentalität” des Arbeitgebers.
Unnötige Effizienzhemmnisse suchen und ausräumen – gern. Sozialer Kahlschlag? Hell no!
Wir verraten euch jetzt mal, warum wir glauben, dass nicht so viel Geld verdient wird, wie der Aktionär es sich wünscht. Auf der letzten Personalversammlung in Frankfurt erklärte erst der COO persönlich, dass man im letzten Jahr über 500 Millionen IRREG-Kosten verursacht habe, das Problem aber nun dadurch löse, dass von den alten Fliegern - Spoiler: davon gibt es eine Menge - jeder fünfte als Reserve am Boden bleibe. Das sei zwar wahnsinnig teuer, aber eben auch wahnsinnig sinnvoll. Danach erklärte der Technik-Chef fast eine halbe Stunde lang, welche übermenschlichen Anstrengungen man täglich unternehme, um die steinalten Flieger sicher in der Luft zu halten. Zu Recht quittiert mit langem Applaus. Auch wir ziehen unseren Hut vor dieser Leistung und stimmen Herrn Froese in seiner Analyse unbedingt zu, dass 20 % der Flieger zur OPS-Stabilisierung auf den Hof gehören. ABER: Dass das so ist, ist eine Katastrophe und ein Managementversagen sondergleichen. Auf dem Thron unserer Lufthansa sitzt seit fast anderthalb Dekaden der gleiche Mann. Dieser Mann hat sich zwischenzeitlich für Rekordergebnisse und den Titel „Manager des Jahres“ feiern lassen. Darüber hat er scheinbar vergessen, in seinen Laden auch zu investieren. Wenn man aber in einen funktionieren Betrieb nicht investiert, sondern auf Substanz fliegt, dann kann man zwar zwischendrin ein paar Rekorde ausweisen, aber irgendwann hat man dann halt einen runtergewirtschafteten Betrieb, bei dem Leute sich aus guten Gründen dafür feiern, dass sie ihn überhaupt am Laufen halten. Zu Recht applaudieren wir alle dem Technik-Chef und seinem Team. Aber dass das notwendig ist, ist ein Desaster. Und dass man nun zu uns kommt, um sich die Investitionen refinanzieren zu lassen, die man im letzten Jahrzehnt vor lauter Sich-Feiern-Lassen versäumt hat, das ist unverfroren. Das dann noch mit Auslagerungs-Drohungen und der Klage darüber zu flankieren, man sei auf seiner Youngtimer-Flotte nicht produktiv genug, um Geld zu verdienen, das ist regelrecht eine Unverschämtheit.
Wir hätten gern gute für alle gangbare Lösungen gefunden, aber wir lassen uns weder für blöd verkaufen, noch erpressen. Auch nicht von einem Manager des Jahres a. d.
Wir machen jetzt wieder, was Gewerkschaften normalerweise so tun.
Stay tuned und stay united.
Eure UFO-Tarifabteilung