Spohr torpediert
Arbeitnehmervertreter
Die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) zeigt sich empört über aktuelle Aussagen des Lufthansa-Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr. In der neuesten Ausgabe des internen Formats „Offen gesagt“, in dem er das Wort an 100.000 Konzernbeschäftigte richtet, hatte er unter anderem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Germanwings Wankelmütigkeit vorgeworfen und eine hohe Streikquote mit der Abwicklung des Flugbetriebs in 2020 in direkten Zusammenhang gestellt. Des Weiteren zweifelte er den grundsätzlichen Nutzen von Tarifierung als Sicherungsmechanismus zum Erhalt von Arbeitsplätzen an.
Ebenfalls zeigte er Unverständnis für ein Schreiben von Personalvertretern aus verschiedenen deutschen Airlines an politische Entscheidungsträger, in dem diese Kritik daran äußerten, dass die Bundesregierung ihren Einfluss auf das Lufthansa-Management nicht so geltend mache, wie es nach staatlicher Rettung des Unternehmens aus Sicht der Personalvertretungen angemessen wäre.
„Spohrs Aussage zur Tarifierung von Arbeitsplätzen und zur Rolle von Arbeitnehmervertretungen stellt eine Torpedierung der Grundpfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft dar. Die Gesellschaft finanziert Kurzarbeitergeld in Milliardenhöhe, das Herr Spohr gerne einnimmt, um seinen Konzern liquide zu halten – aber bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Löhnen hätte er gerne freie Hand und redet die Schaffung neuer prekärer Arbeitsplätze schön. Das alles, nachdem zuvor tausende Arbeitsplätze abgebaut wurden. Das passt nicht zusammen und steht im Widerspruch zum aktuellen politischen Diskurs in Berlin, in dem z. B. unser Arbeitsminister eine Tarifierung für alle in der Pflege arbeitenden Menschen plant. Wie der Lufthansa-Konzern mit solchen Aussagen seines Vorstandsvorsitzenden in Berlin für mehr Unterstützung für die deutsche Airline-Industrie werben will, erschließt sich uns nicht”, so UFO-Tarifvorstand Stefan Schwerthelm.
“Spätestens mit dem Bundestagswahlkampf wird sich die Airline-Industrie insgesamt einer verschärften Nachhaltigkeitsdebatte stellen müssen. Lufthansa wäre gut beraten, angesichts dieser Debatte nicht noch weitere neo-liberale Mantras zu bemühen, möchte sie weitere politische Unterstützung erhalten”, führt Schwerthelm weiter aus.
Für die Beschäftigten der Lufthansa läuft das Kurzarbeitergeld noch bis zum Jahresende. Für die LH-Töchter Germanwings und Sunexpress Deutschland war von vornherein kein Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit beantragt worden; der Aufbau einer günstigeren “Produktionsplattform” war bereits lange vor Pandemiebeginn geplant.
“Für die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Germanwings sind die Aussagen von Carsten Spohr ein Schlag ins Gesicht. Neben der Tatsache, dass es sich bei seinem angeführten Verweis auf die höchste Streikquote bei Germanwings nur um Geschichtsklitterung handeln kann, denn, wie wir wissen, rief das Cockpit allein zu 14 Streiks und die Kabine zum längsten Streik der Firmengeschichte bei der Lufthansa auf, will er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier den schwarzen Peter zuschieben. Die Schließungen der Flugbetriebe von Germanwings und Sunexpress wurden durch Missmanagement bereits vor der Corona-Krise vorbereitet und dann just unter dem Deckmantel der Krise der bereits geplante Konzernumbau eingeleitet. Der Lufthansa-Konzern hat sich längst aus der sozialen Verantwortung gezogen”, ergänzt UFO-Vorsitzender Daniel Kassa Mbuambi.