UFO - Unabhängige Flugbegleiter Organisation
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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Kabine:

Die Ergebnisse unserer Umfrage sind alarmierend!

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Kabine:

Die Ergebnisse unserer Umfrage sind alarmierend!

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10.05.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt sind leider immer noch unterschätzte gesamtgesellschaftliche Probleme, welche weitestgehend als gegebene Übel hingenommen werden.

Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Kabine haben Sexismus im Privatleben schon erlebt, aber wie sieht es eigentlich im beruflichen Umfeld aus? Da für den Arbeitsplatz Kabine bisher keine verlässlichen Zahlen in Deutschland zu sexueller Belästigung vorliegen, hatten wir im Zeitraum vom 19. Dezember 2018 bis Ende März 2019 eine anonyme Umfrage für alle bei deutschen Airlines arbeitenden Kolleginnen und Kollegen auf unserer Webseite veröffentlicht. Sie umfasste 20 Fragen zu Geschlecht, der Anzahl an Jahren im Flugbetrieb sowie Abfragen zur Erfahrung mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, dem betreffenden Zeitraum des Vorfalls/der Vorfälle im Beschäftigungsverhältnis sowie die Frage nach Täter*innen (Fluggast, Vorgesetzte, direkte Kolleg*in) und einer möglicherweise erfolgten Meldung (Vorgesetzte, polizeiliche Anzeige, Personalvertretung) sowie daraus resultierenden Konsequenzen für die Täter*innen.

Erfreulicherweise ist unsere Umfrage auf großes Interesse gestoßen. 1145 Datensätze haben uns erreicht, von denen 1135 verwendet werden konnten. Die Umfrage ist aufgrund ihrer großen Grundgesamtheit als repräsentative quantitative Befragung zu werten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die teilgenommen haben!

Besorgniserregende Ergebnisse

Von den Befragten gaben 49,6% an, sie seien schon mal während der Ausführung ihrer Arbeit sexuell belästigt worden. Hierbei liegt der Anteil der Frauen, die diese Frage bejaht haben, etwas höher (51,7%) als der der Männer (43,7%), wobei mit 3 von 4 (75%) der Anteil an Diversen*, die diese Frage mit Ja beantwortet haben, am höchsten liegt.

Es konnte statistisch kein klarer Zusammenhang zwischen der Länge der Zugehörigkeit zum Flugbetrieb und der Erfahrung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gezogen werden.

Die Übergriffe fanden in 45,8% der genannten Fälle durch Vorgesetzte an Bord statt, während in 26,4% die direkten Kolleg*innen, in 25,3% Passagiere sowie in 2,5% Vorgesetzte am Boden für die Übergriffe verantwortlich waren. Hauptsächlich fanden selbige bei Ausübung der Tätigkeit an Boden oder Bord (56,9%) statt, dicht gefolgt von sexueller Belästigung im Layover (37,5%).

Sexuelle Belästigung, welche privat nach Kennenlernen am Arbeitsplatz stattfand, wurde 48-mal von Kolleginnen und Kollegen genannt und macht im Gros aller Nennungen 5,7% aus. 24% gaben an, schon während der Probezeit sexuell belästigt worden zu sein und 20,8% der Betroffenen wurden sogar in mehreren Abschnitten ihres Beschäftigungsverhältnisses sexuell belästigt.

Mit Sorge betrachten wir, dass bei dem Thema sexuelle Belästigung die Übergriffe von Vorgesetzen überwiegend genannt werden. Offensichtlich werden die bestehenden hierarchischen Strukturen von einer Vielzahl von Kolleg*innen ausgenutzt. Auch die Übergriffe im Layover empfinden wir als besorgniserregend. Das Layover ist kein rechtsfreier Raum fernab der Firma, auch hier gilt die Fürsorgepflicht von Vorgesetzen gegenüber Mitarbeiter*innen.

Vergleich zu anderen Umfragen

Betrachtet man die Angaben der UFO-Umfrage was sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Kabine betrifft, liegt die Zahl im Vergleich zu Umfragen in anderen Arbeitsbereichen um einiges höher (z. B. dbb 2018: 26% Frauen, 6% Männer, Divers* n/a).

Unsere Tätigkeit in der Kabine geht seit den 1950er Jahren mit einer Objektifizierung einher, beispielsweise die ehemals gängige Auswahl der geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Aussehen, Größe, Gewicht und Familienstand. Bis heute sieht man in der Werbung und in sozialen Medien immer wieder Kolleginnen in kurzem Uniformrock, offenen Haaren und rotem Lippenstift verführerisch in die Kamera lächeln. Auch Instagramaccounts mit nackten Tatsachen in Uniform vorzugsweise von männlichen Kollegen sind leider keine Seltenheit und führen nach wir vor zu eine Sexualisierung der Kabinenmitarbeiter*innen in der allgemeinen Wahrnehmung sowohl bei Kolleg*innen als auch bei Passagieren.

Das Gefälle zwischen dem Arbeitsplatz Kabine und anderen beruflichen Tätigkeiten lässt sich nur so erklären, dass die positive Veränderung, die unser Beruf in den letzten Jahren diesbezüglich durchlaufen hat, noch nicht bei allen angekommen ist.

Auch die australische Kabinengewerkschaft TWO (Transport Workers Organisation) hat 2018 in einer Umfrage zu sexueller Belästigung bei Kabinenpersonal sehr hohe Zahlen zu sexueller Belästigung ermittelt – hier gaben von 600 Befragten 2/3 an, schon einmal während der Ausübung ihres Jobs Opfer eines sexuellen Übergriffs gewesen zu sein. Sie geben neben dem in den 50er Jahren geprägten Bild der Flugbegleiterin auch sexistischer Werbung sowie Hierarchiestrukturen die Schuld für die hohen Zahlen.

Angst vor persönlichen Nachteilen

Auch in Deutschland scheint hier dringend Handlungsbedarf zu bestehen. Da knapp 50% der Betroffenen angeben, dass Vorgesetzte für die sexuelle Belästigung verantwortlich zu machen sind, sollte neben Opferschutz dringend über Täterprävention gesprochen werden.

Wir fordern daher in allen Luftfahrtbetrieben umgehend die Aufnahme bzw. Überprüfung bestehender Awareness Strukturen sowie Schulungen für Führungspersonen in der Aus- und Weiterbildung durch geeignetes Fachpersonal. Die Einrichtung einer Anlaufstelle für Betroffene ist ein erster wichtiger Schritt, doch wenn nur 16,1% angeben, einen erlebten Vorfall überhaupt gemeldet zu haben, sitzt das Problem tiefer.

Die Angst vor beruflichen Konsequenzen bzw. persönlichen Nachteilen führte laut Umfrage in 48,3% der Fälle zur Nicht-Meldung, bzw. in 38% der Fälle zur Nicht-Anzeige bei der Polizei. De facto gaben 16,7% der Betroffenen an, durch ihre Meldung persönliche Nachteile erlebt zu haben, während nur 18,6% der Betroffenen angaben, ihre Meldung bei der Firma hätte zu Konsequenzen für die Täterin oder den Täter geführt. Von den Kolleginnen und Kollegen, die ihre Vorfälle der Firma gemeldet haben, fühlten sich etwa die Hälfte von ihrer Firma ernstgenommen, während sich 22% nach der Meldung an Arbeitgeber und Personalvertretung alleingelassen fühlten.

Die vollständigen Ergebnisse haben wir für Euch HIER hinterlegt.

Als Reaktion auf die eindeutigen Umfrageergebnisse werden wir in der nächsten Zeit umfassend über Hilfsangebote informieren und stehen Euch im Akutfall beratend zur Seite.

Von den deutschen Airlines fordern wir dringend Lösungen zu folgenden Themen:

Opferschutz: Arbeitgeber müssen für eine geeignete Anlaufstelle sowie Schutzmaßnahmen für Betroffene sorgen. Geeignete Schutzmaßnahmen sollten in enger Absprache mit dem Opfer erfolgen.

Prävention: Das Thema sexuelle Belästigung, die Sensibilisierung für persönliche Grenzen von sich und anderen, der innerbetriebliche Umgang mit diesem Thema sowie die konkrete Kenntnis des Begriffes "sexuelle Belästigung" gemäß den gesetzlichen Vorschriften und aller daraus resultierender Konsequenzen sowohl arbeitsrechtlich als auch strafrechtlich gehören in jeden Grundlehrgang sowie in Schulungen–für alle Angestellten im Flugbetrieb. Explizit für Personen, die im Laufe ihrer Karriere in Führungspositionen aufsteigen, muss eine Awareness Schulung im Bereich sexuelle Belästigung obligatorisch abzuleisten sein.

Werbung und Marketing: Keine sexistische, den Beruf der Kabine herabwürdigende Werbung mehr! Zudem fordert UFO eine airlineübergreifende Kampagne zur Sensibilisierung von Passagieren.

Viele Grüße

Eure AG Gesundheit

 

PS: Selbstverständlich stehen wir Euch bei Rückfragen oder persönlichen Anliegen gerne zur Verfügung. Schickt dazu einfach eine E-Mail an gesag@ufo-online.aero.

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