„Neue Realität“ im Lufthansa-Konzern
„Neue Realität“ im Lufthansa-Konzern
Liebe Kolleg*innen,
seit Jahren - ehrlicherweise muss man von Jahrzehnten sprechen – träumt man im Hause Lufthansa davon, gut tarifierte Arbeitsplätze gegen sehr viel schlechter tarifierte einzutauschen. Entweder, in dem man bestehende Arbeitsbedingungen absenkt („Score“, „konzertierte Aktion“, „Climb“), oder indem man sie ganz umgeht (AOC-Neugründungen, AOC-Übernahmen, Wet-Lease). Wenn man dabei noch die Gewerkschaften schwächen oder zumindest gegeneinander ausspielen kann, so wie gerade bei Discover Airlines geschehen, solls auch recht sein.
Gerade passiert das alles gleichzeitig!
Es wird gerechnet, was das Zeug hält, es wird neu gegründet und zugekauft, was das Zeug hält, es wird ein „strategischer Wetlease-Partner“ eingeführt. Der Versuch, die Spartengewerkschaften zurückzudrängen, wirkt gleichermaßen verstörend wie verzweifelt. Die Geschichte, die etablierten Carrier im Konzern seien leider zu teuer und zu unflexibel, wird mit großem Enthusiasmus in die Belegschaft und an die Presse kommuniziert.
„Score“ heißt heute „Turnaround“ und wird, das muss man den Treibern lassen, mit aller Macht und in bisher ungekannter Konsequenz vorangetrieben.
Die beiden wesentlichsten Unterschiede zu den bisherigen Sparprogrammen sind allerdings, dass man nun zwei neue - d.h., erstmal zwangsläufig günstige - AOCs aus den Hubs (!) heraus fliegen lässt, bei einer zugleich über Jahre konsequent durchgezogenen Unterpriorisierung der etablierten Carrier.
So fliegen dann die besser tarifierten und dienstälteren Kolleg*innen im guten Falle die runtergerockten alten Möhren mit dem kaputten Bildschirm noch zu Ende, erklären dem Business-Gast womöglich erst, warum er zum zweiten Mal in Folge drei Stunden zu spät kommt und dann, dass leider kein Wasser geladen ist.
Im schlechten Fall sitzen sie gegen ihren Willen un(ter)lizenziert zuhause herum. Da rechnet es sich ganz von selbst, warum die einen so „teuer und unflexibel“ sind, während es woanders so wunderbar günstig geht.
Um es einmal klar zu sagen – an neuen AOCs ist erstmal nichts falsch oder schändlich. Auch nicht daran, dass mal die einen drankommen und dann die anderen.
Ressourcen sind begrenzt. Man kann, um in unseren Beispielen zu bleiben - offenbar nicht so viele Menschen schulen, wie man gern würde und auch das in die Jahre gekommene Blech muss geflogen werden, solange es sinnvoll erscheint. Das kann man akzeptieren.
Komplett inakzeptabel ist es allerdings, dem strukturell benachteiligten Teil dann vorzuwerfen, dass er nicht zaubern kann. Zumal wenn diese Benachteiligung nicht „passiert“, sondern hausgemacht ist. Grundfalsch ist es außerdem, einzelne Konzernteile gegeneinander auszuspielen und in einem abgekarteten Spiel interne „Konkurrenz“ zu propagieren.
Lufthansa konkurriert mit IAG, nicht mit City Airlines. Das eine ist Wettbewerber, das andere Familie. Da geht es nicht gegeneinander, da geht es nur miteinander.
Das Management sieht das offenbar anders, denn es fährt im Apfel-Birnen-Vergleich nicht nur jede Kurve voll aus, sondern flankiert sein sorgfältig aufgebautes Narrativ auch noch mit einer ganz handfesten Drohung, die kaum noch versteckt wird.
Die lautet – wenn ihr nicht spurt, dann ziehen wir euch den Arbeitsplatz unterm Hintern weg. Strecke weg, Flugzeug weg, der Rest ist Mathe. Purser*innen werden schon keine mehr ernannt, das Recruiting ist eingestellt und mit ihm der Wachstumspfad.
Zur „Lösung“ des in großen Teilen selbstgemachten Problems heißt es in einem der offenen Briefe des Managements, man müsse wieder die Produktivität des Jahres 2019 erreichen. Das unterschreiben wir. Dabei allerdings an Einsatzbedingungen (=MTVen) zu denken ist fast absurd, denn an der Stelle gibt es praktisch keinen Unterschied zwischen 2019 und heute. Daran kann es also nicht liegen. Funktionierende Flugzeuge braucht es. Lizensierte Kolleg*innen, funktionierende Dienstleister, gute Planung und was der Dinge mehr sind. Dann klappt es auch mit der Produktivität.
Wir wollen Euch heute vor allem zwei Dinge mitgeben:
Das erste ist – die Bedrohung ist real. Wir schätzen sie deutlich höher ein als bei den letzten Anläufen. Das ist im Übrigen einer der zentralen Gründe, warum der UFO-Vorstand die MTV-Kündigungen sowohl bei CLH als auch bei DLH unterstützt und forciert hat – wir müssen handlungsfähig sein. Das gilt sowohl für Gestaltung im MTV, als auch für mögliche Regelungen die zu treffen und notfalls zu erkämpfen sind, wenn das Management seine Drohungen in die Tat umsetzen möchte.
Das zweite ist – wir werden nicht isoliert an Dingen herumfuhrwerken und auf das einfache Narrativ „zu teuer und zu unflexibel“ einsteigen. Punkt.
Im Übrigen raten wir Euch dringend – organisiert Euch. Wir sind nur so stark, wie jede*r einzelne von Euch und jetzt gilt es. In der UFO sein hat auch sonst eine Menge Vorteile (die könnt ihr HIER einsehen), aber der wichtigste ist und bleibt, dass wir so die Reihen schließen. Selten war das wichtiger.
Stay tuned, stay united
Euer UFO-Vorstand