Appell der UFO zur gemeinsamen
Vorgehensweise im Tarifgesamtkonflikt
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
So kann es nicht weitergehen!
Verhärtete Fronten, Streikwelle um Streikwelle, Anfeindungen zwischen den Mitarbeitergruppen, keine Lösung in Sicht: So präsentiert sich unser Unternehmen zur Zeit, nach Innen und nach Außen. “Nur wer ja sagt zur Bereitschaft, über alles zu reden, allem zuzuhören, alles zu prüfen und das Gute zu behalten”, wie Paulus sagt, der wird die Zukunft gewinnen! [Augustinus Heinrich Henckel von Donnersmarck] Passiert das zur Zeit am Verhandlungstisch von VC und LH?
Die UFO schlägt deshalb eine gemeinsame Mediationsrunde zur verbindlichen Vereinbarung von Lösungsmechanismen vor
Seit SCORE ist im Lufthansa-Konzern niemand mehr zum Durchatmen gekommen. Mit der neuen Spohr-Strategie „Way Forward“ sind zwar endlich auch strategische Ziele zum reinen Sparprogramm dazu gekommen. Die Übersetzung dieser neuen Unternehmensstrategie in einen gemeinsamen und verlässlichen Weg, MIT den Mitarbeitern des LH-Konzerns und durch tarifvertragliche oder sonstige verbindliche Strukturen, ist aber noch an keiner einzigen Stelle geschehen. Daran ändert auch das in Aussicht gestellte Bündnis für Wachstum und Beschäftigung erstmal nichts. Auch die UFO tut sich schwer mit vielen Themen. Bei einigen Punkten liegt das vor allem daran, dass der Glaube an die Wirtschaftlichkeit und die strategische Sinnhaftigkeit in der Ausgestaltung derselben fehlt (z.B. das neue WINGS-Konzept). An anderen Punkten werden derart tiefe Einschnitte seitens der Geschäftsleitung gefordert, die selbst bei größtem Verständnis für Veränderungsnotwendigkeit nicht mitgetragen werden können (Verschlechterung der Versorgung, Abschaffung der Übergangsversorgung für Neueinstellungen – um nur zwei gravierende Beispiele zu nennen). Der Boden beginnt jetzt erst zu verhandeln, steht aber an vielen Punkten wiederholt vor schwierigen Herausforderungen (Schließung dezentraler Stationen, uvm). Uns allen wird jedoch besonders seit rund einem Jahr mit jedem neuen Streik der VC vor Augen geführt, dass auch die Piloten an teilweise sehr ähnlichen Punkten gescheitert sind.
Die Situation scheint völlig verfahren
Wir sehen, dass das Management mit der VC keinen belastbaren Weg zu finden scheint, diesen Konflikt zu befrieden. Und jetzt? Wir könnten entweder einfach weiter verhandeln, schlichten oder als Kabine „mitstreiken“. Es kann auch gut sein, dass Letzteres zu gegebener Zeit passieren muss. Es gibt aber aus unserer Sicht ein paar mehr Facetten dieses Gesamtproblems. Was passiert, wenn diese Auseinandersetzung, wie beidseitig angekündigt, einfach unvermindert weitergeht? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder die einzige Wahrheit zu kennen, haben wir hierzu einige Szenarien aufgelistet:
- Es sollen bereits seit einiger Zeit konkrete Planungen mit der Überschrift “Auslagerung ins Ausland” in den Schubladen liegen.
- Was bedeutet das für die Verhandlungen Kabine? Bereits bei JUMP sieht man, dass eine Trennung von Cockpit und Kabine irrsinnig und mit immensen Umsetzungsschwierigkeiten verbunden ist.
- Geht es am Ende auch um Gesichtswahrung und darum kein Präjudiz zu schaffen? Ist beispielsweise eine gute Versorgung, die nur für die Kabine verhandelt wurde, schon deshalb nicht denkbar, da man sich ja alle Optionen beim Cockpit offen halten will?
- Welche Auswirkungen haben die wirtschaftlichen Folgen? Wenn weitere streikbedingte Verluste entstehen, bekommt Herr Spohr dann nicht Beifall für eine Schrumpfung der Passage?
Welche Optionen liegen auf dem Tisch?
- Bündnis für Wachstum und Beschäftigung
- Agenda Kabine/Forderungen der UFO
- Forderungen und Angebote der VC
- „Agenda Spohr“/ Score/ Sparen, sparen, sparen...
- Forderungen der ver.di
Scheint es noch realistisch, diese Herausforderungen im derzeit tobenden Kampf zu lösen? Wir erleben in unseren eigenen Verhandlungen, dass die Management-interne Suche nach der richtigen Strategie sehr volatil ist und der Konflikt mit der VC fast alles überlagert und Lösungen erschwert.
An vielen Stellen wurde Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren, das macht Lösungen ungleich schwerer. Gerade während des letzten, viertägigen Streiks in der vergangenen Woche kochten in den sozialen Medien, aber auch in den internen Foren die Emotionen hoch. Schuldzuweisungen, wer an dieser ungekannten Eskalation schuld ist, wurden in tausenden Beiträgen hitzig ausgetauscht. Die Kabine steht vor einem Dilemma: SO kann es nicht weitergehen, es muss eine Lösung - im Interesse aller Beschäftigtengruppen - zugelassen werden. Es wäre einfach, sich als Gewerkschaft unkritisch vollständig an die Seite der VC zu stellen und das Management alleine dafür verantwortlich zu machen. Aus Sicht der Piloten ist sehr Vieles, was sie in diesem Arbeitskampf monieren, völlig verständlich und wir können nicht guten Gewissens behaupten, dass wir völlig anders agieren würden. Außerdem sind wir alle in den Verhandlungen nicht dabei. Allerdings ist der Weg, den die VC derzeit geht, eben nicht nur ein Weg der die Zukunft der Piloten betrifft. Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen, die LH nach eigenen Aussagen „wegstecken“ kann, werden auch wegen des Streiks strategische Entscheidungen getroffen, die alle Lufthanseaten betreffen. Das bereitet allen anderen Beschäftigungsgruppen Sorge. In der Außendarstellung fehlt vielen Mitarbeitern zudem ein Stück Transparenz. Was hat die VC denn nun tatsächlich an Kompromissen angeboten, waren diese mit politischen Gegenforderungen versehen, die es der LH scheinbar unmöglich machen, diesen nachzugeben? Aus diesen Gründen ist eine alternativlose Solidaritätsbekundung und ein „weiter so“ auch keine Option.
Es fehlt eine belastbare Perspektive für die Kabine
Allerdings tut das Management seinerseits auch sehr viel dafür, es uns unmöglich zu machen, umfassendes Verständnis für den Weg des LH-Managements aufzubringen. In den nun bereits über ein Jahr dauernden Agenda-Verhandlungen gibt es auch dort, wo es keine Wechselwirkungen mit dem Arbeitskampf der VC gibt, Positionen und Unzuverlässigkeiten, die uns eine Prognose, ob wir über die bereits erreichten Teilergebnisse, die fast überall nur „Absichtserklärungen“ und Arbeitsthesen sind, wirklich zu einer belastbaren Perspektive für die Kabine gelangen können, verbieten. Am Ende braucht es Verträge, die den wohlklingenden Worten von Herrn Garnadt, mit denen er sein Bündnis für Wachstum und Beschäftigung anpreist, auch Taten folgen lassen. Taten, die uns Sicherheit für unsere Arbeitsplätze und unsere Lufthansa ermöglichen. Wir wollen an keiner Stelle behaupten, dass wir wissen, wie die Themen alle zu lösen sind. Schon gar nicht die Themen anderer Berufsgruppen. Wir sind uns aber ebenso sicher, dass jetzt alles unternommen werden muss, um eine Lösung überhaupt wieder möglich zu machen. Wir fordern das Lufthansa-Management deshalb auf, ein echtes Bündnis anzubieten: Ein Bündnis für Perspektive und Sicherheit des Konzerns.
Eine weitere Vorgehensweise muss gemeinsam ausgelotet werden
Wir wissen, dass in der Rhetorik von Arbeitskämpfen viel möglich ist. So hört sich eine Gesamtschlichtung, wie von der VC vorgeschlagen, für den Außenstehenden ausschließlich vernünftig an. Für den Arbeitgeber scheint sie unüberwindbare Eingriffe in die strategischen Unternehmensentscheidungen zu beinhalten. UFO, VC und Geschäftsleitung sollten sich so schnell wie möglich im Rahmen eines Workshops, einer Mediation, wie auch immer man das Format benennen mag, zusammensetzen und die weitere Vorgehensweise ausloten. Mit Hilfe eines Mediators, der schlichtend eingreifen kann, müssen dann die der Mediation folgenden formellen Prozesse besprochen und verbindlich vereinbart werden. Wie muss eine Schlichtung, wie von VC gefordert, aussehen, die gesamthaft alle Tarifverträge, die derzeit offen sind, umfasst, und wie sollen die sonstigen, politischen Themen, die einer Schlichtung formell nicht zugänglich sind, gelöst werden? Denn niemand wird ernsthaft vermuten wollen, dass nur die formell tarif- und streikfähigen Themen den Konflikt befeuern. Dasselbe gilt für das weitere Vorgehen in der Agenda-Kabine und der Versorgungsschlichtung. Es gibt Vorgaben und zeitliche Abläufe, die es auch uns mehr und mehr unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass wir ohne solch einen Prozess ZUVERLÄSSIGE Lösungen, die uns Perspektive und Sicherheit bieten, erreichen können. UFO hat bereits Ideen skizziert, die auch zu dem Garnadtschen Bündnis für Wachstum und Beschäftigung passen. Allerdings ohne, dass diese Ideen bisher aufgegriffen wurden. Auch über diesen Vorschlag kann und muss in einem solchen Verfahren geredet werden. Es muss zumindest wieder eine OPTION auf vertrauensvolle Verhandlungen geschaffen werden. Auch daran kann man scheitern, aber es nicht zu versuchen wäre sträflich. Das haben die Mitarbeiter der Lufthansa und das Unternehmen, das aus mehr als Piloten und LH-Vorständen besteht, verdient. Wo auch immer nötig, möglich und gewollt, sollen und müssen auch andere Beteiligte in diesen Prozess eingebunden werden. Die betriebliche Altersversorgung zum Beispiel betrifft 1:1 auch die Beschäftigten am Boden, inkl. Cityline. Der Tarifvertrag Personalvertretung, wenn auch ein eher „kleines“ Thema, ist ebenfalls von drei Parteien geschlossen worden. Wir sind hier
offen und haben keine Berührungsängste. Diese Haltung erwarten wir nun auch von unserer Geschäftsleitung.
Zusammenfassend möchten wir es noch einmal präzisieren: Wir fordern VC und LH kurzfristig zu einem Treffen auf, um solch einen Prozess verbindlich zu vereinbaren. Wir stehen grundsätzlich immer für solche Gespräche zur Verfügung. Für Vorschläge was Setting, Mediator / Schlichter u.a. angeht, sind wir völlig offen. Wir wollen solch einen Prozess lediglich anstoßen – die Durchführung obliegt dann allen Parteien gemeinsam.
Gibt es Alternativen?
Wir hoffen, dass alle Beteiligten den Mut aufbringen, diesen Versuch zu starten. Wenn das Management auch an einer ehrlichen Lösung interessiert ist, kann und darf es sich einem solchen Prozess nicht verweigern. Auch Lufthansa kann am Ende ein Schlichtungsergebnis ablehnen, wenn es zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die unternehmerischen Entscheidungen kommt.
VC, UFO und der Boden haben angekündigt und/oder in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie in der Lage sind, Kompromisse einzugehen. In einem solchen ergebnisoffenen Prozess müssen dann hinter verschlossenen Türen aber auch alle Interessen und Optionen auf den Tisch. Wir sind der Meinung, dass ein gemeinsames Vorgehen alternativlos ist. Wir sehen den schärferen Umgang zwischen den Berufsgruppen, wir können die Reaktionen der Presse und
der Passagiere täglich lesen. Noch einmal: Wir behaupten nicht, die perfekte Lösung in der Tasche zu haben, aber wir sehen auch nicht, wie VC und LH noch aus dieser verfahrenen Situation herauskommen wollen. John F. Kennedy hat gesagt: “Wir können nicht mit jenen verhandeln, die sagen: was mein ist, ist mein; und was dein ist, ist Verhandlungssache.” Wir können uns nicht mehr vorstellen, wie wir aus dieser Ausgangslage heraus für die Themen der Kabine unabhängige Lösungen mit LH vereinbaren sollen. Hier wurden alle Mitarbeiter der Lufthansa in Geiselhaft genommen, nicht nur von einer Seite! Wir haben diesen Appell heute an das LH-Management und an die VC übergeben und besprochen und werden für diesen Weg einstehen.
Viele Grüße,
Eure UFO