Kapazitätsengpass:
spontaneously combustible
Kapazitätsengpass:
spontaneously combustible
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Dieser Sommer wird heiß. Das wurde Euch und uns bereits mehrfach angekündigt. Mittlerweile zeigt sich aber: Das war eine Untertreibung. Denn es brennt.
Es brennt lichterloh. Und wir haben nicht den Eindruck, dass man auf Seiten der Geschäftsleitung dieses seit Monaten genährte "Kapazitätsfeuer" wirklich löschen will, sondern dass man sich bestenfalls die Hände daran wärmt. Anders ist es kaum zu erklären, warum weiter Benzin in die jetzige Situation hinein gegossen wird.
Neben den bisherigen, tiefgreifenden Veränderungen in der Kabine geht es jetzt ans Eingemachte unseres Fliegerlebens: an unsere Requests. Und damit an die letzte Möglichkeit, trotz steigender Arbeitsbelastung unser Privatleben einigermaßen "geregelt" zu bekommen.
Der Grund hierfür ist die völlig verfehlte Kapazitätsplanung und als Folge daraus ein aktuell viel zu knapp bemessener Personalkörper, um unser Flugprogramm umsetzen zu können.
Ein kurzer Abriss:
Unbeirrt von dem seit Monaten bestehenden Personalmangel wurde der BCSS zum 1. März 2016 weltweit ausgerollt, obwohl er zusätzlich belastet und vor allem zusätzliches Personal benötigt. Die "Produktentscheidung" war getroffen worden, ohne die Umsetzungsparameter vollumfänglich geprüft zu haben. Die neuen Regeln der EASA zu Bereitschaftsdiensten wurden viel zu spät planerisch angegangen. Mit den jetzigen "neuen", eher simpel strukturierten Lines, die in ihrer Schlichtheit einfach über den ganzen Personalkörper gekippt wurden, wird deren Anzahl in Summe so stark erhöht, dass es die Einsatzpläne zusätzlich zerschießt.
Gemeinsam mit dem Tarifpartner UFO verhandelte die PV mit der Geschäftsleitung die Kapa-Vereinbarung für den SFP 2016.
Die Verhandlungen gestalteten sich zäh, denn es wurde geschäftsleitungsseitig gezockt - vor allem mal wieder ums Geld. Einige Maßnahmen, die geholfen hätten, wurden unter zu Hilfenahme des ewig-gleichen Kostenarguments erst gar nicht diskutiert!
Mehrfach standen die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern - schließlich sei es alles ja doch nicht so schlimm und die Forderungen seitens UFO und PV seien zu teuer.
Am Ende einigten wir uns doch - in der Annahme, mit den getroffenen Maßnahmen einerseits ca 20.000 zusätzliche Einsatztage ins System zu spülen (wir sind einsatztagekritisch, betonte man immer wieder, also einigten wir uns auf eine Reduzierung der Quartalstage), und andererseits durch finanzielle Kompensationen den Kollegen diese kollektiven Mehrbelastungen "verdaulicher" zu machen.
Dafür wurden wir von Euch nicht nur gelobt, das war uns klar und damit haben wir uns auseinandergesetzt. Trotzdem stehen wir zu dem Verhandlungsergebnis und den damit angestrebten Effekten. Jetzt würde der Sommer leistbar - so war der Plan, und so wurde es auch von Geschäftsleitungsseite kommuniziert.
Allerdings müssen wir nun eher zufällig feststellen, dass die Lage doch deutlich schlimmer ist, als man uns glauben machen wollte. Unser kollektiver Lösungsansatz mit einer Gleichverteilung von Maßnahmen zeigt zwar bereits Wirkung, doch reicht er bei weitem nicht aus, das grundsätzliche Kapazitätsproblem in der Kabine zu lösen.
Wir haben ein dermaßen großes, ja desaströses Kapazitätsproblem, dass wir bereits in der Planungsphase eines Flugmonats unser Flugprogramm nicht mehr mit dem zur Verfügung stehenden Personalkörper abbilden können. Wir möchten betonen, dass dies nicht an den Kollegen in der Planung liegt - denn auch sie können keine Wunder vollbringen. Die kollektiven und freiwilligen Maßnahmen verpuffen - so groß ist die Not.
Doch statt endlich die Karten offen auf den Tisch zu legen, versuchen die Verantwortlichen weiter zu zocken und scheinen zu hoffen, es würde niemand merken.
Zunächst versuchte man, durch Absenken von OFF-Tage-Kapazitäten vermeintlich Zufriedenheit beim Flugrequest zu schaffen (so geschehen im April).
Man informierte uns allerdings nicht darüber, wir erfuhren es trotzdem, denn die Kabine schlug Alarm. Dieser Weg war und ist völlig falsch. Aus gutem Grund ist es der Planung praktisch nicht möglich, so ohne weiteres an die OFF-Tage zu gehen. Ablehnungen der OFF-Requests müssen begründet werden. Daher versuchte man durch eine Verknappung der Kapazität die Ablehnung von vornherein zu umgehen. Ansinnen und Wirkung ändern sich dadurch jedoch nicht. Denn die OFF-Tage "stören" als unverrückbares Ereignis bei dem schier unmöglichen Versuch, das Flugprogramm irgendwo unter zu bekommen. Trotz aller versuchter Tricks - die Flughauptrequest-Erfüllungsquote bleibt z.B. bei den FB in FRA auf dem miserablen Niveau von ca. 60%, Tendenz sinkend.
Wir haben harsche Kritik an diesem Vorgehen geübt, und deshalb hat man am letzten Tag vor Streichschluss die OFF-Tage-Kapazität für Mai wieder auf das gewohnte Niveau gesetzt. Doch dass man hier mit offenem Feuer am Pulverfass hantiert, das möchte man nicht so recht glauben. Man wünscht sich stattdessen, dass die Kabine doch anerkennen möge, dass man alle Flüge mit einem BCSS-Springer bereedert und außerdem in den aktuellen Kapa-Planungen mit der aktuellen Krankenquote rechnet - statt mit der aus 2014. Das ist unserer Meinung nach eine völlig absurde Diskussion. Schlimm genug, dass man diese Punkte nicht von Anfang in der Planung unterstellt hat.
Die traurige Wahrheit ist:
Alles, was wir bisher erlebt haben, ist aller Wahrscheinlichkeit nach noch gar nichts im Vergleich zu den kommenden Monaten. Es fehlen uns hunderte Kollegen. Allein im Mai wurden bei den FB in Frankfurt 200 OFF-Tage-Requests abgelehnt - Grund dafür waren die bis dahin rund 600 unverplanten Touren nach Streichschluss. Diese Touren versucht man nun durch ein "Reshuffeln" der Hauptrequeste unterzubringen, was letztlich in massenhaften Request-Ablehnungen mündet. Das wird so lange gemacht, bis es passt.
Gleichzeitig werden immer noch regelmäßig FB-Grundlehrgänge abgesagt – aus verschiedenen Gründen. Aufgrund dieser alarmierenden Signale, gepaart mit nicht offen gelegten Fehlbeständen an Personal, können wir nur zu einem Schluss kommen:
Alle bisherigen Prämissen scheinen falsch und wir fordern die Geschäftsleitung auf, das genaue Ausmaß der Situation zu beziffern und unverzüglich mit der UFO und der PV in Gespräche einzutreten, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, diesem Kapa-GAU zu begegnen.
Außerdem muss durch tarifliche Veränderungen wieder sichergestellt werden, dass wir genug geeignete Bewerber für die Kabine finden, die dann auch dabei bleiben.
Wunder wird man keine vollbringen können - doch die Zeit, weiter zu optimieren und somit die Kabine an den Rand des Leistbaren zu bringen, ist vorbei.
Wenn der momentane Zustand und die Monate, die kommen werden, die neue "Null-Linie" definieren sollen, dann wird man sich nicht wundern dürfen, wenn die oft bemühte Krankenquote weiter ansteigt – ein untrügliches Indiz für den Zustand eines jeden Unternehmens.
Wir sagen es hier in aller Deutlichkeit: Wir werden diesen Weg so nicht weiter begleiten können und distanzieren uns hiermit von dieser völlig verfehlten Personalpolitik und konstatieren stattdessen:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Dieser Sommer wird durch die getroffenen Maßnahmen nicht "leistbar". Es wird ein Sommer, wie man ihn sich bisher nicht vorzustellen gewagt hat.
"Die innere Kündigung."
"Die totale (physische und mentale) Erschöpfung."
"Mangelnde offene Kommunikation"
"Lippenbekenntnisse einer Geschäftsleitung zur Wertschätzung."
Oft schon wurden diese Stichworte bei der Zustandsbeschreibung unserer Kabine bemüht. Allzu oft.
Als Mitbestimmung werden wir uns nicht dafür hergeben, die fortgesetzte Mangelverwaltung auch noch " zu begleiten". Unsere Gewerkschaft hat sich monatelang an tragfähigen Tariflösungen abgearbeitet, während zeitgleich PV und Belegschaft im Betrieb einfach kein Land sieht. Von einem Monat zum nächsten "basteln" die Verantwortlichen im Betrieb weiter am Mangel herum, statt erst einmal in eine ehrliche Analyse des Ist-Zustandes einzusteigen. Es scheint, dass wieder darauf spekuliert wird, "notfalls mit Crew-Reduzierungen" arbeiten zu müssen.
Statt diese Notfälle (um bei diesem Beispiel zu bleiben) jetzt vorab mit der Mitbestimmung ehrlich zu skizzieren, scheinen einige der Hauptverantwortlichen das Problem wieder mal in die daily ops verschieben zu wollen...
Dort gehört die Problematik aber nicht hin! In der uns gewohnten LH-Sprache wird stets von "grundsätzlich" gesprochen. Das Kapa-Problem gehört endlich grundsätzlich ausdiskutiert - mit allen beteiligten Bereichen und der Personalvertretung und der Gewerkschaft. Ein von Monat-zu-Monat-Hangeln werden PV und UFO nicht mehr zu lassen.
Wir werden Euch zur weiteren Entwicklung auf dem Laufenden halten.
Viele Grüße,
Eure PV /eure UFO
YO/P: Robert Stolle (Vorsitzender), Götz Boecke (stellv. Vorsitzender), Andreas Arnold, Christian Bertuzzi, Patrick Braun, Susanne French, André Goux, Helmut Kuhn, Claudia Loeb, Michael Schnur, Stefan Schwerthelm, Andreas Sitek, Olivia Stelz, Sabine Wolbold, Christian Zeisig
YO/S: Mark Sommerfeld (Vorsitzender), Andreas Bahadir (stellv. Vorsitzender), Alexander Behrens, Ute Bundszus, Severine Dhaouadi, Stefan Fluck, Patrick Helke, Natalie Huber, Nadja Juratli, Marc Koops, Anja Kutscher, Holger Lange, Stefan Risse, Birgit Weinreich, Iris Wilk