Analyse und Ausblick
nach einer bewegten Woche
Analyse und Ausblick
nach einer bewegten Woche
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit Montag wissen wir, dass managementseitig alle Voraussetzungen für Staatshilfen im Lufthansa-Konzern geschaffen wurden, es müssen „nur“ noch die Aktionäre zustimmen. Den Mitarbeitern schreibt Carsten Spohr dafür schonmal ins Pflichtenheft, was ihre Aufgabe ist: Zugeständnisse liefern, um die Aktionäre milde zu stimmen. Hinzu kommen verschiedene Webcasts, Videobotschaften, Presseberichte und seit gestern das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Um hierbei nicht den Überblick zu verlieren, möchten wir Euch heute die Lage aus unserer Sicht einordnen.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Seit gestern wird in den Medien über „tiefgreifende Restrukturierung“ im LH-Konzern gesprochen. Was genau das heißt, wird aus den Berichten nicht klar. Klaus Froese spricht in seinem Webcast von 6.000 Stellen zu viel, allein bei der Muttergesellschaft Lufthansa German Airlines – wohlgemerkt über alle Bereiche hinweg; also Boden, Kabine und Cockpit. Gleichzeitig heißt es seit gestern offiziell, dass die Stückkosten „dauerhaft unter das Vorkrisenniveau“ gedrückt werden müssten, gewünschter Umfang werden wohl die aus den letzten Wochen bekannten 20% sein. Nach einem Monat des ernüchternden wie ergebnislosen Verhandelns (wir berichteten letzte Woche), möchte Herr Spohr nun, dass wir bitte pünktlich zur außerordentlichen Hauptversammlung Ergebnisse liefern. Billiger werden, nicht nur im Krisenzeitraum, sondern ab sofort unbefristet.
Wie wir ebenfalls seit gestern wissen, soll ein Tarifgipfel kommenden Mittwoch stattfinden. Sollte der Konzern nun tatsächlich zügig Ergebnisse produzieren wollen, wäre das aus unserer Sicht eine gute Gelegenheit, um die Rahmenbedingungen dafür miteinander zu besprechen. Es bleibt ebenso offen, ob uns bei diesem Termin neue Ideen präsentiert werden sollen oder doch nur alter Wein in neuen Schläuchen gereicht wird, der ab jetzt mit dem langfristigen Ziel von 20% unbefristeter Einsparung gespickt ist. Die Zahl selbst ist dabei so bekannt wie traditionsreich, denn fast immer sollen 20% her, wenn ein Sparprogramm aufgelegt wird.
Zusätzlicher Druck auf die Verhandlungen – Staatshilfen sei Dank
Eine Insolvenz ist die schlechteste aller Optionen. Daher freuen wir uns sehr, dass nach langem Ringen ein Paket an Staatshilfen zustande gekommen ist. Leider hat sich unsere Forderung nach explizit aufgeschriebenem Arbeitnehmerschutz nicht durchgesetzt und auch sonst hat die Politik keine Erwartungen an das Management aufgeschrieben, welche Ziele mit den Steuergeldern denn eigentlich verfolgt werden sollen. Dafür hat sich der Staat ein ordentliches Zinspaket gesichert, damit sich die Staatshilfen für den Steuerzahler auch lohnen. Der Schlussakt mit Intervention durch die EU-Kommission hat die Situation auch nicht verbessert. Zwar fallen die Auflagen aus Brüssel deutlich weicher aus als geplant, doch dem Management sind argumentativ alle Türen geöffnet, um in Öffentlichkeit und Politik für Verständnis zu werben, weshalb nun harte Einschnitte nötig sind und mehr als 10.000 Stellen im Konzern abgebaut werden müssen.
Doch davon dürfen wir uns nicht erschrecken lassen. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen einige tausende Arbeitsplätze abgebaut wurden, ohne auch nur eine einzige Kündigung auszusprechen. Siemens und Opel sind nur zwei davon und wir werden auch die Politik in die Pflicht nehmen, um die Kabine in dem andauernden Streit über den richtigen Weg zu schützen.
Über Staatshilfen sprechen wir auch in unserem aktuellen Podcast, den Ihr HIER findet.
Absicherung braucht Glaubwürdigkeit
Bevor UFO und Lufthansa in einen massiven Konflikt miteinander geraten sind, war die Kabine stets willens und in der Lage, Veränderungen mitzugestalten. Auf diese Weise konnten wir sowohl die Airlines des Konzerns erfolgreich aufstellen – mehrere Rekordjahre passieren ja nicht einfach so – als auch gute Arbeitsbedingungen erhalten.
Doch diese Krise hat uns eiskalt in einer Phase erwischt, in der wir eigentlich erst einmal die letzten Jahre verlorener Tarifpolitik nachholen müssen und es gilt, das Vertrauensverhältnis zwischen Kabine und Arbeitgeber wiederaufzubauen. Von echtem Vertrauen sind wir noch sehr weit entfernt, das macht kraftvolle Gestaltung in dieser Krise besonders schwer.
Das fehlende Vertrauen spürt auch jeder Einzelne von Euch. Die Auseinandersetzungen und Versäumnisse der vergangenen Jahre führen heute zu einem Wettbewerb zwischen einzelnen Gruppen, wer denn nun mehr abgeben oder gar gleich den Arbeitsplatz verlieren könne. Von einer wohlwollenden Aufnahme von Kollegen, bei denen schon klar ist, dass sie ihre Airline verlieren, sprechen nur wenige. Die aktuelle Situation ist eine extreme Zerreißprobe für uns alle, doch wir werden schlussendlich nur dann gut durch diese Zeit kommen und langfristig die Kabine auf einem guten Niveau halten können, wenn wir zusammenhalten. So schwer das im Moment auch manchmal sein mag.
Für ein Absicherungspaket braucht es wegen eben dieser gemeinsamen Erfahrungen und dem damit eihergegangenen Vertrauensverlust, belastbare Glaubwürdigkeit in den Vereinbarungen zwischen Kabine und Management. Nur wenn wir gemeinsam darauf vertrauen können, dass ein Abkommen tatsächlich beiden Seiten nutzt, nur temporär ist, die Arbeitsplätze wirklich sichert und nicht wieder einseitig ausgenutzt, werden wir diese schwierige Zeit gut überstehen.
Schnelles Ende der Kurzarbeit?
Elementare Stellschraube für etwaige Absicherungen ist die Zukunft der Kurzarbeit. Kai Duve kündigte in seiner Videobotschaft an die Lufthansa-Kabine vom letzten Freitag an, hierzu nun schnell Verhandlungen mit der Personalvertretung aufzunehmen. Seit der Veröffentlichung des Konjunkturpakets der Bundesregierung wissen wir, dass die Verlängerung von Kurzarbeitergeld auf 24 Monate kein Selbstläufer ist. Es kann also sein, dass es ab nächstem März kein Kurzarbeitergeld mehr vom Staat gibt. Da der Flugbetrieb zu diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nicht auf annähernd normalem Niveau ist, steigt damit der Druck, ein Absicherungspaket zu schnüren.
Auch die Ankündigung, dass man Kurzarbeit wieder allein mit der Lufthansa-PV vereinbaren möchte, macht uns Sorgen. Schon mit der heutigen Aufstockung kommen viele nicht zurecht, setzt sich Lufthansa durch und senkt die pauschale Aufstockung nochmal ab, stünden einige wohl vor der Existenzfrage. Sollte sich zudem bewahrheiten, was CDU/CSU seit gestern durchscheinen lassen und das KUG kommendes Frühjahr ersatzlos wegfallen, droht für die individuelle Einkommenssituation ein tiefes schwarzes Loch. Um dem entgegenzutreten, braucht es ein Absicherungspaket aus einem Guss, dass die vielen verschiedenen Situationen und Stellschrauben beinhaltet, die es benötigt, um allen zu nutzen. Das kann weder allein die PV noch UFO oder LH. Hier muss gemeinsam gearbeitet werden, um einen wirksamen Beschäftigungs- und Existenzschutz über den Zeitraum von Kurzarbeit hinaus zu vereinbaren.
Wir wollen uns nicht wieder darüber streiten, ob nun PV oder Gewerkschaft Kurzarbeit abschließen soll oder gar muss. Doch uns muss klar sein, dass die Kabine mit einer strikten Trennung an dieser Stelle einen Sonderweg im Konzern geht. Boden und Cockpit verhandeln aus guten Gründen diese Themen in einem Strang, denn am Ende sind Kosten auch nur Geld, das aus einem Topf bezahlt wird. Alleingänge, die diesen Topf schmälern und dann wiederum gerechte Lösungen verhindern, sind nicht nur unnötig, sie würden jetzt sehenden Auges in Kauf genommen. Wer ein Papier unterschreibt, darf und muss egal sein, solange die Kabine nicht durch Verhandlungen an verschiedenen Fronten ausgespielt wird. Getrennte Verhandlungen – ob wir das nun gut oder schlecht finden – sind jedoch sehr anfällig, die jeweiligen Verhandlungspartner in die Irre zu führen, was zu schlechteren Ergebnissen führt. Leider hat sich gerade der Arbeitgeber dieses Teile-und-Herrsche-Prinzip in der Vergangenheit oft zunutze gemacht. Auch hier zeigt sich, dass wir in der Krise die Vergangenheit nicht einfach außen vor lassen können, sondern umsichtig und offen mit Euch vergangene Fehler und Fallstricke diskutieren müssen. Schließlich werdet ihr am Ende per Urabstimmung über die Ergebnisse und die Glaubwürdigkeit in den Vereinbarungen abstimmen.
Sollte Herr Spohr sein Vorhaben tatsächlich ernst meinen und bis zur außerordentlichen Hauptversammlung ein Paket für und mit der Kabine vorweisen wollen, dann sollte sich die Geschäftsleitung dringend vor diesen Spielchen hüten. Wir setzen uns mit allen zusammen, um nach Lösungen zu suchen. Daran soll und wird es nicht scheitern, doch die Zeit für Alleingänge ist unter den gegebenen Umständen längst vorbei – zumindest wenn man es ernst meint.
Auf Sicht fahren heißt sicher fahren
Allein die Ereignisse einer Woche zeigen, dass wir in dieser akuten Phase der Krise weiterhin nur auf Sicht fahren können. Zu schnell ändern sich Rahmenbedingungen oder gar die Verhandlungsvorgaben des Konzerns. Keiner weiß, wie sich der Luftverkehr in den kommenden Monaten entwickelt, keiner weiß, was sich die Regierung in den kommenden Monaten noch ausdenkt und es weiß ebenso niemand, inwiefern die Staatshilfen aus Steuergeldern die Art des Konzern-Managements verändern.
Klar ist insoweit nur, dass wir weiterverhandeln und alles Erdenkliche versuchen werden, um als Kabine gemeinsam durch die verschiedenen Phasen der Krise zu kommen. Nächster Meilenstein in Sichtweite ist die anstehende außerordentliche Hauptversammlung, um den Staatshilfen zuzustimmen, damit eine Insolvenz abschließend verhindert wird. Viele von Euch sind Aktionäre und sollten von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Wie bei jeder Hauptversammlung werden wir wieder Stimmpatenschaft übernehmen, sodass ihr Eure Stimmen auch an UFO übertragen könnt. Den genauen Ablauf teilen wir Euch dann nochmals mit.
Bis dahin werden wir weiterarbeiten und nach Lösungen suchen. Es ist zwar nicht leichter geworden, doch mit der nötigen Ruhe werden wir als Kabine unsere Absicherung in dieser Krise aushandeln. Denn Kohlen aus dem Feuer holen – das können wir.
Viele Grüße
Eure UFO