UFO - Unabhängige Flugbegleiter Organisation
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Gesundheit

Neues von der AG Gesundheit:

Virus SARS-CoV-2 und andere Gefahren

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Virus SARS-CoV-2 und andere Gefahren

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15.10.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

vor Kurzem fand die Aviation Health Conference 2020 statt – zum ersten Mal rein online. Die AG Gesundheit der UFO hat für Euch teilgenommen.  

Diese Veranstaltung wird regelmäßig von IATA, dem Dachverband der Airlines, veranstaltet, und es nehmen verschiedene Vertreter der Luftfahrtindustrie sowie der Arbeitnehmerverbände teil. Das beherrschende Thema in diesem Jahr war die weltweite Corona-Situation, von der alle Airlines betroffen sind.  

 

Virus SARS-CoV-2 / Lungenkrankheit COVID-19 (Corona) 

Generell war der Tenor, dass die Lage für die Airline-Branche dramatisch sei. Eine große Schwierigkeit für die weltweit operierenden Carrier sei, dass jedes Land einen individuellen Umgang mit der Pandemiepflege und es an einheitlichen Standards fehle. 

Die Übersichts-Vorträge zu Thema SARS-CoV-2 behandelten unter anderem die Art und Weise der Verbreitung des Virus im Flugzeug und während der gesamten Reise, wobei als grundlegende Erkenntnis festgestellt wurde, dass OP- und Community-Maske ausreichenden Schutz vor Infektionen böten. Bei korrektem Tragen sei es nicht notwendig, dass ein großer Sitzabstand zwischen den Gästen herrsche und es mache nach derzeitigem Stand der Erkenntnis keinen nachweisbaren Unterschied, ob der Nebensitz frei oder belegt sei. 

Impliziert wurde aber auch, dass ohne Maske eine Ausbreitung völlig unkontrolliert stattfindet. Der hierzu Vortragende eines Flugzeugherstellers teilte mit, dass die Luftqualität durch Filtersystem und permanenten Luftaustausch sehr gut sei. Das hieße jedoch im Umkehrschluss: Ohne laufende Klimaanlage sei die Kabinenluft im Flugzeug genauso schlecht wie in einem vollen Kaufhaus.  

Zumindest in Bezug auf die Gefahr möglicher Schmierinfektionen an Bord scheint es Entwarnung zu geben: Gemäß einer an der Universität Hong Kong durchgeführten Studie sei eine Übertragung durch eine Schmierinfektion zwar möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Tatsächlich verringere sich die tatsächlich vorhandene Virenmenge auf einer Oberfläche nach 24 Stunden schon um den Faktor tausend ohne weiteres Zutun. Untersuchungen zur Virenübertragung auf Oberflächen im Flugzeug hätten zudem gezeigt, dass das Virus nach Behandlung durch Desinfektionsmittel oder UV-Licht auf Oberflächen wie Klapptischen, Armlehnen und Bildschirmen nicht mehr nachweisbar sei. 

Weiterhin berichtete ein Vertreter der portugiesischen Airline TAP über die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 beim fliegenden Personal der Airline: So gab es im untersuchten Zeitraum während der Anfangsphase der Pandemie 7 Fälle der Lungenkrankheit COVID-19 pro 1.000 Angestellte; die Zahl war damit so hoch wie in der allgemeinen portugiesischen Arbeitsbevölkerung.  

Es bleibt aus unserer Sicht jedoch festzuhalten: Die vorhandenen Studien sind bei Weitem nicht ausreichend und auch bei der IATA ist man sich einig, dass weitere Untersuchungen nötig seien. 

Allen Hiobsbotschaften zum Trotz: Eine Ansteckung an Bord ist mit Blick auf die bisherige Studienlage bei Einhaltung von strikten Hygienekonzepten mehr als unwahrscheinlich. Die Menschen fliegen momentan jedoch trotzdem kaum – selbst, wenn sie keine Sorge haben, sich auf der Reise zu anzustecken. Es bleiben die „Probleme“ außerhalb der eigentlichen Reise: Hohe Infektionszahlen am Start- oder Zielort sorgen dafür, dass Reisen unattraktiv oder gar verboten werden. 

Die UFO fordert hier intelligente Lösungen wie eine Vereinheitlichung von Reiseauflagen sowie die weitere Nutzung und den Ausbau der in den letzten Monaten aufgebauten Testinfrastruktur. Hohe Gesundheitsstandards im Luftverkehr und bestmöglicher Schutz von Crews und Passagieren sind unser Ziel! 

Alles außer Corona 

Nachdem sich am ersten Tag der Konferenz alles um COVID drehte, wurden am zweiten Tag auch einige andere Themen in den Fokus gerückt. 

Anaphylaktischer Schock 

Ein Dauerbrenner unter den Gesundheitsthemen ist das Thema Allergie und anaphylaktischer Schock an Bord. Hierzu klärte ein Referent auf: Ein anaphylaktischer Schock als Folge einer Allergie – zum Beispiel auf Erdnüsse – kann unter Umständen lebensbedrohlich werden, sei jedoch relativ selten. 

Das Risiko eines schweren medizinischen Notfalls aufgrund einer allergischen Reaktion ist jedoch nicht zu vernachlässigen. Daher führen Allergiker ihre Notfallmedikamente meistens mit sich. Zusätzlich haben manche Airlines sogenannte “Epipens” im Erste-Hilfe-Koffer an Bord, die bei einem solchen Fall das richtige Mittel darstellen. Es gebe bei diesen jedoch auch ein nicht unerhebliches Risiko der Fehlanwendung bei Ersthelfer und Patient. Manche Airlines haben stattdessen den in den Epipens enthaltenen Wirkstoff Adrenalin in Ampullen an Bord beladen. Diese dürfen dann allerdings nur von Fachpersonal verabreicht werden. Unabhängig von einer Wertung, welche Methode “besser” sei, hilft es in jedem Fall, über das Equipment an Bord der eigenen Airline Bescheid zu wissen. 

Alkoholtesten vor dem Flug 

Alkohol ist ein großes Problem in unserer globalen Gesellschaft, dies betrifft ebenso das fliegende Personal. 

Niemand möchte von betrunkenem Flugpersonal befördert werden. Der Chief Medical Officer der indischen Airline IndiGo hat das Vorgehen des Alkoholtestings für Flugpersonal am Beispiel der IndiGo-Base in Delhi dargestellt. 

Bereits seit einigen Jahren fanden zweimal jährlich verpflichtende Alkoholtests für Piloten statt. Seit 2015 werden allerdings alle Cockpit- und Kabinencrews vor jedem Einsatz mit einem Atemalkoholtester überprüft. Das Limit liegt bei 0,0 Promille, womit eine “zero tolerance policy” durchgesetzt wird: Ein Verstoß führe zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung.  

600 Pre-Flight-Alkoholtests finden allein bei der Airline IndiGo in Delhi täglich statt. Ein Problem sei dabei gerade in der aktuellen Situation, das Testgerät frei von Viren zu halten, ohne auf Alkohol basierende Desinfektionsmittel zu benutzen.  

UVA-Strahlung als Gefahr für die Gesundheit 

Über den Wolken sind wir einer erhöhten Sonnenbestrahlung ausgesetzt, insbesondere das Cockpitpersonal, das permanent am Fenster sitzt. Eine neuseeländische Gruppe von Dermatologen hat sich mit der UV-Strahlung an Bord von Air-New-Zealand-Flügen auf dem Flugzeugmodell A320 im neuseeländischen Sommer beschäftigt. 

Es ist bekannt, dass die Hautkrebsgefahr bei Flugpersonal erhöht ist. Auch dass die UV-Strahlung dazu beiträgt ist bekannt. Die Forscher empfehlen zum Selbstschutz hier konsequent Langarmhemden zu tragen, die Augen mit einer Sonnenbrille (nur im Cockpit ?) zu schützen und sich sogar einzucremen.  

Doctors on Board 

Hier wurde über eine Initiative in Russland berichtet, ein flugbetriebsübergreifendes Programm “Ärzte an Bord” zu etablieren, um die medizinische Versorgung an Bord zu verbessern. Medizinisches Fachpersonal sollte sich vorab bei der Airline registrieren, um im Falle eines medizinischen Notfalls umgehend Hilfe leisten zu können.  Bisher nimmt in Russland leider nur die Airline S7 an diesem Programm teil. 

Wir als UFO wünschen uns ein solches airlineübergreifendes Programm auch bei uns.  

Norovirus 

Nicht nur SARS-CoV-2 ist gefährlich, denn auch das Norovirus ist hoch ansteckend. Dieses Virus verbreitet sich sowohl über Aerosole als auch über Schmierinfektionen von kontaminierten Gegenständen. Aufgrund von Resistenzen des Virus ist die Desinfektion schwierig.  

Eine Mitarbeiterin von Virgin Australia berichtete von “Poogate”: Ein Passagier hatte sich in einer Galley erbrochen, worauf ein Flugbegleiter das Erbrochene beseitigte. Nach Erreichen des Zielortes sowie auf dem Rückflug erkrankte fast die komplette Crew am Norovirus.  Da das Flugzeug nach der Landung in Australien nicht desinfiziert wurde, zeigten weitere KollegInnen des Anschlussflugs norotypische Symptome. Dieser Fall zeigt, dass bei Bekanntwerden einer Norovirusinfektion an Bord übliche Reinigungsmaßnahmen nicht ausreichen und spezielle Desinfektionsmaßnahmen nötig sind. 

Reanimation 

Ein weiterer Vortrag widmete sich der Frage der Reanimation an Bord und kam zu dem Ergebnis: Lieber schlecht als gar nicht reanimieren. Jede Airline hat ihre eigenen Vorschriften, wie eine Reanimation an Bord ablaufen soll. Jede versuchte Reanimation hilft, Leben zu retten! 

Eine Übersicht über das gesamte Programm der Konferenz findet Ihr hier

 

Was uns zu kurz kam 

Natürlich gibt es auch weitere Themen abseits von Corona sowie den geschilderten Vorträgen. An den Themen Fatigue, Fume Events und – gerade in dieser Krise – Stress / Emotionale Belastung / Zukunftsangst sind wir für Euch weiter dran. 

 

Podcast 

Als Auftakt hierzu haben wir eine neue Folge von unserem Podcast “Recording Completed” zum Thema “Mentale Gesundheit – Stark auch am Boden” aufgenommen. Wir sprechen mit der Expertin und Flugbegleiterin Claudia Hellwig darüber, wie sich das Fliegen und damit auch die Probleme von Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern in der Corona-Pandemie verändert haben und welche Tipps und Tricks es gibt, um mental gesund zu bleiben. Den Podcast könnt Ihr Euch hier sowie bei allen gängigen Podcastanbietern anhören. Sucht bei Spotify und Co. einfach nach “Recording Completed”. 

 

Apropos Unfallmeldung 

An dieser Stelle noch ein wichtiger Hinweis: Wir empfehlen allen Crews, bei einem COVID-19-Fall oder -Verdacht an Bord, einen Unfallbericht zur Dokumentation auszufüllen. Denn wie auch beim kleinen Schnitt in den Finger gilt: Schreibt vorsorglich einen Report, um abgesichert zu sein, falls es zu Folgeschäden wie Krankheit, Arbeitsausfall oder gar Fluguntauglichkeit kommt. 

 

Bleibt sicher! 

Eure AG Gesundheit 

Foto unsplash.com / @pillepriske
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